Neusser Pflegetreff warb für die Gestaltung einer neuen Pflegekultur

Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk hatte zum 17. Pflegetreff am 14.11.2012 nach Neuss-Erfttal eingeladen. Als Gäste konnten über 130 Pflegefachkräfte und interessierte Bürger-Innen begrüßt werden. Es ging diesmal im Wesentlichen um die Versorgungsdefizite in Pflegeeinrichtungen durch fehlende fachärztliche Versorgung, zuviele oder falsche Medikamente und entbehrliche freiheitsentziehende Maßnahmen.

 

 

Werner Schell, Vorstand von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk, hatte für dieses Thema hochkarätige Referenten für die Veranstaltung gewinnen können.

 

 

 

 

Stefan Hahn, Beigeordneter und Dezernent für Jugend und Soziales der Stadt Neuss, stand beim Treff für ein Grußwort zur Verfügung.

 

 

 

Regina Schmidt-Zadel, Mitglied des Bundestages (SPD) a.D., stellvertretende Vorsitzende der Alzheimer-Gesellschaft NRW, moderierte den Diskussionsteil des Treffs.

Die Statements der Referenten und die sich daran anschließend ergebenden Diskus-sionen griffen die Pflegetreffthemen in unterschiedlicher Weise auf, sparten dabei auch nicht mit Lob und Anerkennung für die Arbeit von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk. Zu-sammengefasst und ohne Anspruch auf Vollständigkeit kann insoweit folgender Überblick gegeben werden:

Frau Prof. Dr. Dr. Ursula Lehr befasste sich mit der demografischen Entwicklung und den Notwendigkeiten, auf die neuen Gesellschaftsstrukturen zu reagieren. Es wurde dabei u.a. auf die bereits 2005 vorgelegte „SÄVIP – Studie zur ärztlichen Versorgung in Pflegeheimen“ verwiesen und eine Optimierung der (fach)ärztlichen Versorgung der pflegebedürftigen Menschen im Heim, aber auch zu Hause, eingefordert. Die Besuchstätigkeit, vor allem der Fachärzte, wurde als nicht ausreichend erachtet. Es gebe erheblichen Verbesserungsbedarf.

 

Frau Prof. Dr. Petra Thürmann erläuterte in ihrem Statement die pharmakologische Sichtweise hinsichtlich der Medikation bei älteren bzw. pflegebedürftigen Menschen. Nach den Ausführungen verdeutlichen die 2010 von ihr mit verfasste Priscus-Liste und andere Erwägungen, dass es bei der Arzneimitteltherapie, vor allem bei älteren und pflegebe-dürftigen Menschen, erhebliches Gefährdungspotential und damit vielfältige Verbesse-rungsnotwendigkeiten gibt. Dabei wurde auch – unabhängig von der Priscus-Liste – auf die vielfach problematische Verabreichung von Psychopharmaka verwiesen. Ein Umden-ken in der Verordnungspraxis wurde als notwendig herausgestellt.

 

Uwe Brucker wandte sich anhand der praktischen Erfahrungen des Medizinischen Dienstes vornehmlich den freiheitsentziehenden Maßnahmen in den Pflegeeinrichtungen bzw. Krankenhäusern zu. Es ging dabei vornehmlich um die Bettgitter und sonstigen Fixierun-gen (z.B. mittels Gurt). Dabei wurde auch wieder auf die Verordnung von Psychopharmaka verwiesen, weil diese Mittel nicht selten als sog. pflegeerleichternde Maßnahmen in Betracht gezogen werden. Es wurde deutlich, dass die bekannten Möglichkeiten zur Reduzierung solcher freiheitsentziehender Maßnahmen bekannt gemacht und umgesetzt werden müssen.

 

Dr. Hermann-Josef Verfürth beleuchtete aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen als Hausarzt und auch als engagierter Arzt bei der Versorgung von HeimbewohnerInnen die medizinische Versorgung und ging auf die Mängel im System bzw. die Korrekturnotwen-digkeiten ein. Das Miteinander aller beteiligten Akteure vor Ort, Leitungs- und Pflegekräfte, rechtliche Vertreter und Ärzte, müsse zielgerichtet optimiert werden. Dabei wurde verdeutlicht, dass in den Pflegeeinrichtungen mehr Zuwendung durch das (Fach)personal geboten ist. Die immer wieder diskutierten Pflegemängel seien ohne Behebung des Pflegenotstandes nicht zu minimieren.

 

Den verschiedenen Statements folgte eine rege Diskussion. Die von den Referenten angesprochenen Themen wurden hinterfragt und mit allseitiger großer Kompetenz vertiefend diskutiert. Regina Schmidt-Zadel und Werner Schell gingen dabei mit einigen ergänzenden Kurzstatement auf die unzureichenden Pflege-Rahmenbedingungen ein und verwiesen auf den fortbestehenden Pflege-Reformbedarf.

 

Heinz Sahnen, Stadtverordneter im Rat der Stadt Neuss, Mitglied des Landtages (MdL) von NRW (von 2000 – 2010) und Schirmherr des Treffs, bedankte sich am Ende der Veranstaltung bei allen Beteiligten und brachte die uneingeschränkte Auffassung aller zum Ausdruck, dass der Pflegetreff wieder einmal wichtige Themen in das öffentliche Bewusst-sein gerückt und damit Voraussetzungen für die vielfach angesprochenen Verbesse-rungsnotwendigkeiten geschaffen habe.

 

 

Fazit von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk: Im Rhein-Kreis Neuss sind einige Initiativen in Gang gekommen, die geeignet erscheinen, die beim Pflegetreff angesprochenen Mängel zu beheben oder zumindest zurückzuführen. Über die Ergebnisse diesbezüglicher Bemühungen wird beim nächsten (18.) Pflegetreff in der ersten Jahreshälfte 2013 weiter informiert. Dieser weitere Pflegetreff wird (im Wahljahr) u.a. den überfälligen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff zum Hauptthema zu machen.

Werner Schell
Dozent für Pflegerecht, Vorstand von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk

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