Plädoyer für die Schutzzone Zölibat

pendeluhr

Für den Prälat bedeutete das eine Herausforderung. Das war ihm anzumerken. Es war bewundernswert, wie er damit umging.

Billigte er mir ein bisschen Unschuld zu? Können Priester mit Erfahrungen in Sachen Liebe besondere Spiritualität vermitteln? Was ist nach Immanuel Kant moralisch? Solche Fragen standen nicht zur Debatte. Auch nicht die Vermutung des amerikanischen Schriftstellers Henry Miller, Gott lasse vieles zu, was Menschen verbieten möchten.

Dann aber setzte der Prälat erneut zum Diskurs an. Er meinte mich warnen zu müssen vor einer möglichen Tyrannei der Liebe. Liebe mache verletzbar. Auch eheliches Glücksgefühl habe keinen Garantie-Anspruch darauf, von ewiger Dauer zu sein. Der Zauber des Anfangs gehe vorüber. Gefühle seien zerbrechlich. Enttäuschungen würden mir nicht erspart bleiben. Eine gute Ehe zu führen sei nicht einfacher, als den Zölibat einzuhalten. Denkbar sei, dass man alte Sorgen gegen neue eintausche. Abnutzungserscheinungen gebe es auch in der Ehe.

Musste ich antworten und mit ihm darüber zu streiten, welche Lebensform einen Menschen besser ausfüllt und zufriedener macht als eine andere? Mit meiner Heirat strebte ich nicht das Paradies auf Erden an. Der Prälat zeigte sich besorgt darüber, dass ich die Schutzzone Zölibat verlassen wollte. Er lebte ehelos, nicht aber lebensfremd, sondern hatte ein Gespür für das rechte Maß. Seine Mahnungen und Vorbehalte konnten nur „amtlichen“ Charakter haben.

Zur Ehelosigkeit hatte ich mich verpflichtet, weil sie gefordert wurde. Keine Wahl zwischen zölibatärer und nicht zölibatärer priesterlicher Lebensform. Um des angestrebten Amtes Willen hatte ich auf  eine Partnerschaft verzichtet.

Ehelosigkeit an sich ist nicht anachronistisch. Sie kann nicht vom Zeitgeist abhängig gemacht werden. Ein Anachronismus ist es, wenn sie am Wohnsitz der Kirchenmacht, wie manche Stimmen die vatikanische Behörde wenig wohlwollend bezeichnen, verordnet wird.

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