Erinnerungswürdige Jahre

pendeluhr

Dem Vernehmen nach gibt es laisierte Priester, die wieder im Amt sind, weil sie um Rücknahme ihrer Laisierung gebeten haben. Für mich ist das nicht nachvollziehbar, vor allem dann nicht, wenn die Betreffenden Frau und Kinder haben. Ob diese dann nach mittelalterlicher Gepflogenheit ins Kloster verbannt werden?

Meine Laisierung ist irreversibel. Es gibt kein Vorwärts in die Vergangenheit, als hätte ich ein Verlassenheits-Trauma zu bewältigen. Ich will nicht zurückgewinnen, was ich aufgegeben habe. Ich werde nicht reumütig durch eine Hintertür wieder eintreten – gleichgültig, ob ich als Priester gelte oder nicht.

Es soll einen Papst gegeben haben, auf dessen Anordnung hin Frauen und Kinder verheirateter Priester in die Sklaverei verkauft wurden. Wir leben nicht im Mittelalter.

Das Alltägliche und Banale des Lebens mit seinen Bedürfnissen und Regeln, mit seinen Kleinigkeiten und Belanglosigkeiten, mit seinen Verhaltensmustern und  Zumutungen habe ich kennen, schätzen und aushalten gelernt.

Es tut mir gut, ein unaufgeregtes Leben zu führen; ein Leben, das nicht das Außergewöhnliche sucht, sondern Anteil nimmt an den gewöhnlichen Dingen; ein Leben, das nicht jeden Tag nach morgen und übermorgen fragt; ein Leben, das nicht vorwiegend aus Amtshandlungen besteht.

Dieses Leben – nicht einzelne herausgehobene Momente, nicht die Leichtigkeit des Seins – mache ich mir zu eigen. Meine ehemalige priesterliche Tätigkeit und der mit ihr verbundene Umgang mit Menschen bleiben in ihm erkennbar und spürbar.

Die Jahre im aktiven priesterlichen Dienst waren nicht wertlos. Sie haben sich nicht als verfehlt erwiesen. Nichts war vergeblich. Priester gewesen oder noch zu sein, ist Teil meiner Geschichte; kein Handicap, das ich loswerden will.

Ich habe nichts versäumt, nichts über Bord geworfen. Ich suche nach keinem Schwamm, um Spuren zu verwischen. Meine Vergangenheit mache ich nicht unkenntlich. Neue Geschäftsmodelle für meine Zukunft muss ich nicht entwickeln.

Es ist keine Ära zu Ende gegangen, die mein jetziges Leben unberührt lässt. Ich musste nicht von vorn, quasi aus dem Nichts, neu beginnen. Mein Leben heute ankert in meinem Leben gestern. Es besteht kein Dazwischen.

Ich habe nicht erst zu leben begonnen am Tag der Heirat. Mit ihr begann kein neues Zeitalter, kein zweites Leben. Ich habe auch vorher richtig gelebt und keinen Mangel an Leben empfunden.

Es gab und gibt kein wahres und falsches Leben. Mein Leben besteht nicht aus der einen und der anderen Hälfte. Es ist keine Geschichte der verpassten Chancen.

Es gibt nichts, auf das ich mit schlechtem Gewissen zurückblicke. Ich habe nichts zu entrümpeln, nichts zu entsorgen.

Kein Tag in meinem Leben war unerträglich. Meine priesterliche Tätigkeit ereignete sich nicht in einer anderen Welt. Ich habe keine Jahre vertan, es wurden mir keine Jahre gestohlen, sondern erinnerungswürdige zwölf Jahre geschenkt.

Diese Jahre sind ein Vermächtnis, auf das ich mich berufe, auf das ich stolz bin. Ich werde ihnen einen gebührenden Platz im Kontext meines Lebens einräumen.

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