„Der macht das eben anders.“ Fragen erlaubt, Herr Regionalvikar?

Der neue Regionalvikar für die katholische Region Mönchengladbach ist schockiert über die Geschehnisse in Chemnitz. In einem Interview mit der Rheinischen Post äußert er seine Sorgen und Ängste, wie mit Menschen umgegangen werde und sie hemmungslos beschädigt würden. Das dürfe man nicht hinnehmen.

Recht hat er. Sich anders zu verhalten, indem man das Recht und die Würde seiner Mitmenschen mit Füßen tritt, ist nicht hinnehmbar.

Dass geistliche Mitbrüder des Regionalvikars Menschen, die ihnen anvertraut waren,  „hemmungslos beschädigten“ erwähnt er nicht. „Wenn Hemmschwellen überschritten werden, eskalieren Situationen in atemberaubender Geschwindigkeit.“ Das empört den Regionalvikar zu Recht an den Vorkommnissen in Sachsen. Wahrscheinlich haben ihn die Interview-Partner nicht an den Vorwurf  des Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung erinnert: Über Jahrzehnte sei in kirchlichen Einrichtungen hierzulande sexuelle Gewalt an Kindern unter den Teppich gekehrt, bagatellisiert und vertuscht worden.

Woran man nicht erinnert wird, dazu muss man nicht Stellung nehmen, wird sich der Regionalvikar verteidigen. Wenn man jedoch mit dem Finger auf andere zeigt, sollte man dann nicht so ehrlich sein, auch und zuerst für die „schreckliche Entwicklung“ nicht nur in Chemnitz, sondern vor und hinter  Kirchentüren Worte finden? „Die Kirche scheitert an ihrem Missbrauchs-Skandal.“ Dieser alarmierende Satz geht durch die Presse. Ist Chemnitz überall?

Als „Scharnier zwischen Bistumsleitung und pastoraler Arbeit in der Region“ sieht er sich. „Wünsche von unten nach oben zu vermitteln“, gehöre zu seinen Aufgaben. Ob er an den Wunsch nichtkatholischer Partner gedacht hat, bei  der Eucharistiefeier am gemeinsamen Mahl der Christen teilnehmen zu können?  Gehört hat man bisher nichts von Ihm dazu. Einer seiner Vorgänger im Amt des Regionaldekans hat öffentlich und laut Stellung genommen und die Einwände des Kölner Kardinals unmissverständlich als absurd und realitätsfremd bezeichnet. Hat sich der neue Regionalvikar in dieser Angelegenheit schon einmal mit seinem Mitbruder ausgetauscht? Oder ist der Regionalvikar der Meinung, besagter Kardinal habe eben eine andere Meinung, und die ihm anvertraute Herde habe das mit kirchlich verstandenem Gehorsam zu akzeptieren?

Auf den Ärger, der entstand, weil er als Regionalvikar vom Bischof ernannt wurde, statt nach bisheriger Praxis von seinen Mitbrüdern gewählt zu werden, hat er die einleuchtende Erklärung parat, „der Bischof macht es eben anders“. „Ein Nachfolger wird es wieder anders machen.“ Oberhirten können sich also „kraft ihres Amtes“ über Vereinbarungen, die sich bewährt haben, hinwegsetzen, und die Untertanen haben sich wie in alten Zeiten vor dem Herrscher auf den Boden zu werfen. Derjenige, der davon profitiert, muss sich keine Gedanken machen.

Alte Werte müssten wieder entdeckt und die Sekundärtugenden Anstand und Höflichkeit neu erlernt werden, fordert der Regionalvikar im Hinblick auf die Ereignisse in Chemnitz. Bedeuten diese Tugenden nichts im kirchlichen Bereich?

Zum 25. Jahrestag seiner Priesterweihe erhielt der Regionalvikar Glückwünsche von ehemaligen Bundesministern, die in seiner Kirche gepredigt hatten. 2006 überreichte ihm Papst Benedikt bei einer Privataudienz einen Rosenkranz. Wer solcher Ehren würdig war, vertraut darauf, gehört und geachtet zu werden. Damit kann er rechnen. Aber Fragen wird er sich gefallen lassen müssen.

0 - 0

Danke für Ihre Abstimmung!

Sorry, Sie haben schon abgestimmt!

1 Kommentar zu "„Der macht das eben anders.“ Fragen erlaubt, Herr Regionalvikar?"

  1. Mir zu 100% aus dem Herzen gesprochen, dieser Artikel. Ja, ich bin Christ und werde das auch bleiben, aber die Bigotterie der, vor Allem katholischen Kirche und vieler ihrer vermeintlichen Diener, konnte ich als junger Mensch schon nicht ertragen. Wer noch mehr mag, dem kann ich das Buch „Der heilige Schein“ von David Berger ans Herz legen. Der Autor ist schwul, macht die Tatsache aber nicht zum Mittelpunkt des Buches, sondern erzählt unter anderem darüber, wie Kirche mit ihm, als Professor einer päpstlichen Akademie umging, nachdem er sein Outing hatte. Vielleicht auch etwas für jemanden wie Herrn Hurtz. Und immer war und ist es das „Bodenpersonal“

Kommentare sind deaktiviert.