Die Sternsinger kommen

Beispielbild: Sternsinger besuchen den Oberbürgermeister im Rathaus Abtei

Sternsinger sind unterwegs. Das nachweihnachtliche Brauchtum des Dreikönigsfestes weckt Erinnerungen an meine Sternsinger-Aktivitäten in der nachkriegs-katholischen Pfarrei meines Heimatortes. Sie war nur für Jungen reserviert, die sonst als Ministranten am Altar standen. Mütter hatten Königs-Gewänder aus Stoffresten und Vorhängen genäht und mit den Kindern Kronen aus Pappkarton gebastelt.

Da eine Person aus dem königlichen Dreigestirn den „schwarzen“ Erdteil verkörperte, musste Ruß aus dem Kamin herhalten, um einen „Neger“ aus dem Blondschopf zu machen. Die Bezeichnung, die jetzt als verleumderische, ehrverletzende Formulierung gilt, war noch kein Vergehen. „Weckmänner“, die zum Nikolaustag mit einer Pfeife im Arm gebacken wurden, verstießen nicht gegen den Nichtraucherschutz. Damals wusste man, dass der Bischofsstab des Heiligen Nikolaus  damit symbolisiert werden sollte.

In der Schule hatte ich heimlich ein paar Stücke Kreide eingesteckt. Es mussten Segensgrüße auf Haustüren gekritzelt werden. Unsere Klasse war nicht mit Computern und Internet-Zugang ausgestattet. Wir benutzten Schiefertafeln. Auf kleine Kreidestücke warf ich ein Auge. Das eine oder andere Objekt wanderte  in meine Hosentasche.

Die Leute im Dorf wurden nicht darüber informiert, dass Sternsinger unterwegs seien. Sie wussten es. Kinder benötigten keine Besuchs-Erlaubnis, sondern wurden erwartet. Niemand verlangte Begründungen für eine bewährte Tradition. Die Botschaft, die wir überbrachten, wurde nicht als gestrig abgetan. Sie stammte nicht aus einer für manche Leute von heute fernen Welt, in der sie ihre Üblichkeit verloren hat.

In dem einen oder anderen Haus war der Tisch für das Dreigestirn gedeckt. Heiße Schokolade und Kuchen gab es. Damalige Verhältnisse kannten keinen Überfluss an Süßigkeiten und Konfekt. Dennoch landete manche Kostbarkeit als Wegzehrung in Taschen und Tüten. Das trug dazu bei, dass der Nachmittag viel zu schnell zu Ende ging.

Sternsingen war fröhliche Begegnung zwischen Sternsingern und Familien. Sternsingen war ein frommes, heiteres Spiel.

Heute ist das anders.

„Jährlich werden mit den Mitteln aus der Sternsinger-Aktion Projekte für notleidende Kinder unterstützt. 2016 kamen über 71 Millionen Euro an Spendengeldern zusammen.“ „Bei der 60. Aktion Dreikönigssingen haben die Sternsinger das höchste Sammelergebnis in ihrer Geschichte erreicht, 10.000 Euro mehr als im Vorjahr.“ „Der Bundespräses machte deutlich, dass Sternsingen nicht den Zweck der Aktion verfehlen darf. Den Kindern wurde verdeutlicht, was Kinderarbeit für ihre Altersgenossen bedeutet. Sie  erfuhren, wie sinnvoll es ist, sich für sie als Sternsinger zu engagieren.“

Sternsinger heute sind zweckorientiert unterwegs. Ein Gerechtigkeitsgefühl, das der Armut auf unserem Planet zu Leibe rücken soll, wird kultiviert. Kinder sollen andere Kinder nicht hungern lassen, ohne Gewissensbisse zu bekommen. Sternsingen dient der Weltrettung vor dem Weg in den sonst nicht abwendbaren  Untergang. Christliche Mitleids-Ethik für Kinder.

Nicht alle Jungen und Mädchen, die als Sternsinger auftreten, werden den aufgezeigten Wahnsinn und die Nöte in der Welt verstehen. Aber  Identifikations-Probleme sind unwichtig.

So  bringen die Sternsinger zu Gottes Lob und der Menschen Nutzen ihren Segensspruch an Haustüren an. Nach dem Ende der Kreidezeit nicht mehr mit Kreide, sondern mit maschinell programmierten Klebesteifen. Der Segen soll sich auszahlen in barer Münze, in möglichst großen Scheinen. Vorjährige Rekord-Erlöse gilt es zu übertreffen. Quengeln-Lieder anzustimmen, statt Segens-Sprüche zu verkünden, würde dem Zweck der Sternsinger-Aktion  entsprechen. Viel zu feiern gibt es nicht.  

Seit jener fernen Vergangenheit, in der mein Urgroßvater gelebt hat, ist viel Sand durch Sternsinger-Sanduhren gelaufen. Gut, dass ich  dabei war, als Sternsingen nicht gesellschaftlichen oder sonstigen Zwecken diente. Die Süßigkeiten, die wir erhielten, gehörten uns. Wir mussten sie nicht um der Armut auf dem Planet willen, die damals wahrscheinlich nicht größer war als heute, mit aller Welt teilen.

Ich bin nicht sicher, ob ich heute  mitziehen würde.

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1 Kommentar zu "Die Sternsinger kommen"

  1. Gabriele Bauer | 6. Januar 2019 um 12:08 |

    Zwar bin ich der Meinung, daß es in Ordnung ist zu sammeln und von unserem Überfluss abzugeben. Allerdings muß ich zugeben, daß ich an jedem 6. Januar aufs Neue hoffe, daß die gesammelten Gelder auch wirklich dem genannten Zweck zufließen.
    Ansonsten: Gut und richtig gebrüllt Löwe

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