Lieber Henry Maske,

v.links: Moderator Matthias Opdenhövel, Henry Maske; Foto: Giulio Coscia

Sie haben uns die Ehre gegeben. Als charmanter, blendend aussehender, redegewandter 55-Jähriger präsentierten Sie sich Ihrem Publikum in der ausverkauften Mönchengladbacher Kaiser-Friedrich-Halle Man sah Ihnen nicht an, dass Sie seit dem siebten Lebensjahr geboxt haben. Sie haben das offenbar unbeschadet überstanden oder intensiv an der körperlichen Instandhaltung gearbeitet. Was ich mit sieben Jahren gemacht habe, weiß ich nicht mehr genau. Als braver Junge hatte ich vom Boxen vermutlich keine Ahnung. Kann es sein, dass auch Ihre Gegner im Ring keine Ahnung von Ihnen hatten, als sie sich leichtsinnigerweise auf Sie einließen?

Auf einem einfühlsam vorgetragenen, zugleich unterhaltsamen Gang durch Ihre Biografie begleiteten Sie Ihre Zuhörer. Ihre Erzählkunst ließ uns fast atemlos Ihren Weg mitgehen von der  Kinder- und Jugendsportschule des Armeesportklubs Vorwärts Frankfurt/Oder. Es sei Ihnen nicht leicht gefallen, Ihre Eltern einzubeziehen in aufkeimende und von anderen geförderte, hand- bzw. boxfeste persönliche Ambitionen. Sie wollten niemandem widersprechen und zunächst mit sich selbst klarkommen.

Es tat Ihnen, der zugleich Offizier der Nationalen Volksarmee wurde, nach und nach gut, zum Vorzeigeathleten des DDR-Sportsystems aufzusteigen. „Erfolg ist kein Zufall.“ „Nichts ergibt sich von selbst.“ So, wie Sie das sagten, klang das selbstverständlich. Aber etliche Male ergänzten Sie, dass auch ein späterer Held wie Sie Erfolge mühsam erarbeiten musste und Höhen und Tiefen erlebte. „Vom Motiv zur Motivation“, formulierten Sie einen Kernsatz. Ihre von anderen geförderte Lust auf Boxen beflügelte Sie, sich Ziele zu setzen.

Hinzu kamen politisch geprägte Motivationen. Als DDR-Juniorenmeister, Olympiasieger in Seoul, erster DDR-Weltmeister in Kuba wollten Ostblock-Athleten der westlichen Welt beweisen: „Was ihr könnt, können wir erst recht.“ Das unterstrichen Sie, Henry, als Sie nach der Wende Ihren ersten Profi-Wettkampf in London bestritten und 1993 Weltmeister der „International Boxing Federation“, IBF, wurden.

„Selbst-bewusst-sein“ – so lautete und lautet Ihre Erfolgsformel.

Foto: PJD

Hand aufs Herz, lieber Henry Maske. Wenn Sie in einunddreißig Profi-Kämpfen dreißig Male Ihre Kontrahenten derart mürbe machten, dass sie wie leblos in den Seilen hingen, kann das auch daran liegen, dass man Sie unterschätzt hat? Als Ihre Gegner in der damaligen DDR erfuhren, dass Sie aus einem kleinen brandenburgischen Städtchen stammen, haben sie womöglich geglaubt, Ihre Eltern hätten Ihnen statt einem Paar Socken irrtümlicherweise ein Paar Boxhandschuhe unter den Tannenbaum gelegt.

Niemand verübelte es Ihnen, dass Ihr als krönender Abschluss geplanter Kampf nicht so verlief wie vorgesehen. „Time to say Goodbye“, sang man in der Arena. Sie sangen nicht mit. Sie vertraten immer schon Ansichten, die andere nicht teilen. Ihre Schilderung machte den gespannt lauschenden Zuhörern in der KFH bewusst, dass Ihre Karriere noch nicht in trockenen Tüchern war. Trockene Tücher sahen für Sie anders aus, Henry. Alle spürten, dass diese Geschichte im wahrsten Sinn nachhaltig für Sie geblieben ist.

„Es geht wieder los.“ Ausführlich legten Sie Vorgeschichte und Verlauf Ihres wirklich letzten Kampfes dar, als Sie zehn Jahre später als Box-Opa noch einmal in den Ring stiegen und die Schmach vergessen ließen. Ihr Ehrgeiz wurde Ihnen nicht zum Verhängnis. „Irgendetwas treibt einen.“ „Den Druck spüren und anderen gewachsen zu sein.“ Solche Aussagen verrieten eine Menge über den Menschen Henry Maske. Werner Schneyders Behauptung „Maske kann nichts gewinnen außer Geld.“ entlarvten Sie. Von Millionen Boxsportbegeisterten wurden Sie bewundert – so wie an diesem Abend in Mönchengladbachs Guter Stube, in die Sie der engagierte Initiativkreis eingeladen hatte.

Foto: Giulio Coscia

Einige Zuhörer wussten möglicherweise nichts vom Box-Ring über Sie, sondern von diversen Restaurant-Besuchen. Etliche Sieg-Prämien haben Sie dem Vernehmen nach in Fast-Food-Unternehmen angelegt. Kann man nachvollziehen. Wer schnell auf den Beinen im Boxring war, vermag auch einem Schnell-Imbiss etwas abzugewinnen. Sie waren immer schon als Taktiker bekannt. Als Defensivspezialist sind Sie wilden Faustschlachten nach Möglichkeit aus dem Weg gegangen. Seitdem Ihre Box-Handschuhe an dem berühmten Nagel hängen, freunden Sie sich mit Fast-Food-Konzepten an und verzichten auf Schlachten am kalten oder warmen Büffet.

Es war ein Gewinn für uns, lieber Henry Maske, dass Sie den Weg hierher gefunden hatten – wohl auch deswegen, um sich bei uns für Ihren „Henry Maske Fond“ für benachteiligte Jugendliche einzusetzen. Denen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, sondern oft Schlusslichter der Gesellschaft bilden, möchten Sie lebenswerte Perspektiven vermitteln. Sie haben nicht die Verhältnisse vergessen, in denen Sie persönlich aufgewachsen sind. Das sind, wie man Ihnen anmerkt, keine entschwundenen Welten für Sie. Erinnerungen kann und muss man nicht auf Knopfdruck löschen. Auch in unserer Stadt gibt es Jugendliche, denen eine Unterstützung durch die Perspektivfabrik „Henry Maske Stiftung“ guttäte.

So, wie Sie hier auftraten – lebendig, kommunikativ, unterhaltsam, manchmal nachdenklich –  ließen Sie erkennen, dass Sie eine Menge von Mitarbeiterführung verstehen und sich selbst und andere motivieren können. Sie haben nicht nur Ihre Haut zu Markte getragen. Ich wusste nicht, dass man das durch Boxen lernen kann. 

Dankbar und zugleich kritisch sahen und sehen Sie, lieber Henry Maske, Vergangenheit und Gegenwart in unserem Land:  Dankbar schauen Sie auf die „Wende“ und den Mauerfall zurück. Sie gehören zu den Gewinnern der Einheit, betonen Sie. Sie sind in einer „neuen Welt“ angekommen, übersehen aber nicht, dass in Ihrer „alten Welt“ nicht jeder an jenem Wohlstand teilhat, den viele inzwischen für selbstverständlich halten.

Nach dem Fall der Mauer wechselten Sie mit Ihrem Trainer Manfred Wolke ins Profilager. Als einer der ersten „Ossis“ wurden Sie gesamtdeutscher Superstar. Ohne dieses Ereignis würden Sie womöglich immer noch „Sabinchen, das Frauenzimmer“ verehren und ihren Verehrer aus Treuenbrietzen, weil auch Sie aus jenem Ort am Rande der Weltgeschichte stammen. Jetzt gehören Sie, zumindest nach unserer Überzeugung, zu „Pionieren der Welt“, zu Personen, die auf ihrem Gebiet eine Vorreiterrolle einnehmen und Bahnbrechendes geleistet haben. „Immer ein klares Ziel vor Augen und den Willen zur Leistung zu haben. Das setzt Energien frei.“  „Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.“ „Nur wer aufgibt, hat verloren.“ Lieber Henry Maske, Sie haben uns mit solchen Sätzen und mit Ihrer Haltung imponiert. Beehren Sie uns wieder.

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