Die 500 Werke umfassende Sammlung im Museum Abteiberg ist ein historisches Zeitdokument

Zum Tode von Berni Etzold
(Foto: Hannelore Kersting)

BerniEtzoldIhr leidenschaftliches Engagement für die Kunst wird in Erinnerung bleiben – über Berni Etzolds Tod hinaus. Mit jedem Künstler, der in der Sammlung Etzold vertreten ist, mit jedem einzelnen Kunstwerk verband sie persönliche Erlebnisse; wusste sie mit ansteckender Begeisterung Anekdoten zu erzählen, die ihr auch nach Jahrzehnten noch lebhaft gegenwärtig waren. Am 30. März 2013 ist Berni Etzold im Alter von 93 Jahren in Moers gestorben. In Mönchengladbach war sie am 3. Oktober 2010 zum letzten Mal. In Begleitung der ganzen Familie nahm Berni Etzold – schon damals vom Alter gezeichnet, aber noch immer mit sichtlicher Freude – teil an der Feierstunde zu Ehren des 40jährigen Jubiläums der Sammlung Etzold im Museum Abteiberg.

1920 als sechstes von acht Kindern in Emmerich geboren, lernte sie 1939 im Textilhaus „Laue und Etzold“ in Recklinghausen den Kaufmann Hans Joachim Etzold kennen, den sie 1943 heiratete. Nach seiner Rückkehr aus russischer Gefangenschaft trat Etzold in das Familienunternehmen Carl Schultze in Moers ein, wo Etzolds von da an ihren Wohnsitz hatten. Das Jahr 1960 schließlich sollte zu einem besonderen Schicksalsjahr werden. Aus gesundheitlichen Gründen sah sich H.J. Etzold gezwungen, seine Tätigkeit aufzugeben – keine 50 Jahre alt. Das war der entscheidende Wendepunkt, dem letztlich die Entstehung einer umfangreichen Kunstsammlung zu verdanken ist. Zwar waren Etzolds immer schon aufgeschlossen für die Kunst, aber nach dieser radikalen Zäsur wurde sie zu einem Lebensinhalt, dem sich das Ehepaar leidenschaftlich widmete. Im Wissen um die lebensbedrohende Krankheit wurde der intensive Dialog mit Künstlern und Kunstinteressierten zur unmittelbaren, bedingungslosen Teilhabe an Zeitgenossenschaft. „Das Schönste an der Sammeltätigkeit waren die Gespräche in Galerien, Atelier und bei uns zu Hause. Kein Katalogtext, keine Interpretation kann ersetzen, was sich dabei abspielte“ erinnerte sich Berni Etzold noch nach Jahrzehnten. In den nur rund 15 Jahren bis zum Tode Hans Joachim Etzolds 1976 wuchs die Sammlung auf über 500 Werke an, die sich seit 1970 als Leihgaben in Mönchengladbach – zunächst im Museum in der Bismarckstraße, heute im Museum Abteiberg – befinden.

Ein erster Höhepunkt im Sammlerleben der Etzolds war eine Ausstellung im Kölnischen Kunstverein 1970. Die Sammlung, die damals bereits die räumlichen Kapazitäten der privaten Wohnung sprengte, trat erstmals an die Öffentlichkeit und stieß sofort auf positive Resonanz. Von da an wurde die Sammlung Etzold in einem Atemzug genannt mit der Sammlung Ströher (Darmstadt) und der Sammlung Ludwig (Köln, Aachen). Johannes Cladders, der seit 1967 das Museum in der Bismarckstraße leitete, gelang es, die Sammlung unmittelbar im Anschluss an die Ausstellung in Köln als Dauerleihgabe zu gewinnen. Am 3. Oktober 1970 erfolgte die Übergabe, die zugleich Eröffnung der ersten von vielen noch folgenden Ausstellungen der Sammlung Etzold in Mönchengladbach war.

Es war ein kulturpolitischer Coup mit weitreichenden Folgen. Zum einen setzte die Sammlung Etzold mit ihrem Schwerpunkt der jungen Gegenwartskunst der 1960er und frühen 1970er Jahre einen deutlichen inhaltlichen Akzent, der sich wie selbstverständlich in das Programm des experimentierfreudigen Museums integrieren ließ. Zum anderen gab sie einen beträchtlichen Motivationsschub, der wesentlich zu der Entscheidung für einen Neubau auf dem Abteiberg beitrug. Die Verwirklichung der Neubaupläne ließ allerdings auf sich warten. Die Eröffnung des Museums Abteiberg erfolgte 1982 – zu spät für den 1976 verstorbenen Hans Joachim Etzold, der die Erfüllung seines Wunschtraumes nicht mehr erleben durfte.

Zwar sind in der Sammlung Kunstwerke vertreten, die an die historischen Wurzeln des Konstruktivismus in den 1920er Jahren erinnern (Kupka, Malewitsch, van Doesburg, Moholy-Nagy etc.), aber es war in erster Linie die ganz aktuelle, junge und zumeist noch unbekannte Kunst ihrer Zeit, für die sich Etzolds begeisterten. Inhaltlich zeigt diese private Kunstsammlung eine Vorliebe für konstruktivistische und rationale Tendenzen im weitesten Sinne. Werke von Fontana, Uecker, Mack oder auch Morellet, Luther, Nake und Böhm sind ebenso vertreten wie die von Serra, Rückriem, Soto und vielen anderen. Den weitaus größten Teil der Sammlung bilden Exponate der 1960er und frühen 1970er Jahre, weshalb die Sammlung Etzold mit ihren weit über 500 Kunstwerken gerne als historisches Zeitdokument charakterisiert wird. Es ist über die Kunstwerke hinaus aber auch die Art der Rezeption, die intensive und mit großer Hingabe geführte Auseinandersetzung mit der Kunst, für welche die Sammlung Etzold ein beeindruckendes Zeugnis ihrer Zeit ablegt.

Berni Etzold die bis zum Ende ihres Leben mit großem Engagement Anteil nahm an allem, was die Belange der Sammlung betraf, hatte die Sammeltätigkeit mit dem Tode ihres Mannes konsequent für beendet erklärt, so dass die Sammlung bis heute ein sehr authentisches Zeitdokument geblieben ist.

Die Sammlung Etzold bewährt sich seit Jahrzehnten konstant als ein äußerst ergiebiger und reichhaltiger Fundus, aus dem das Museum Abteiberg schöpfen kann. Neben der ständigen Präsenz von wechselnden Werken, die in die eigene Sammlung integriert sind, realisiert das Museum immer wieder Ausstellungen, die ausschließlich oder unter großer Beteiligung von Werken aus der Sammlung Etzold zustande kommen. Zudem ist die historische Distanz zu den 1960er und 1970er Jahren mittlerweile so groß geworden, dass auch eine jüngere Generation von Künstlern und Kunstinteressierten der Sammlung Etzold mit ihren vielen noch ungehobenen Schätzen aktuell wieder verstärkt das verdiente Interesse entgegen bringt.

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