„Weniger schlecht“ ist nicht „gut“.
Die „Goldene Blume“ für Prof. Michael Braungart

Die Festgäste im Rheydter Theater hätten noch länger zugehört, als dem neuen Preisträger der Umweltschutz-Preis „Goldene Blume“ von Mönchengladbachs Oberbürgermeister Reiners überreicht wurde – eine vergoldete, stilisierte Dahlie in Medaillenform.

Personen werden damit ausgezeichnet, die sich in herausragender Weise mit innovativen Ideen für Umwelt und Natur einsetzen. An diesem Samstag war es Professor Dr. Braungart. Wissenschaftlicher Geschäftsführer der 1987 von Greenpeace gegründeten Internationalen Umweltforschungs- und Beratungsinstitut in Hamburg, EPEA. 

Oberbürgermeister Reiners

Die Namensliste der Preisträger ist lang, seitdem1967 der Bürgerverein „Blühendes, schaffendes Rheydt“ den Preis stiftete. Damals schon wurde in unserer Stadt konkret gehandelt, mehr als fünfzig Jahre vor jenen, die heute protestierend auf die Straßen gehen oder zum Fahrradklingel-Klima-Protest aufrufen. Prof. Braungart beklage nicht den Zustand der Welt, betonte der Oberbürgermeister in seiner Begrüßungsansprache, sondern zeige Lösungen auf. Er verkünde Botschaften, mit deren Hilfe Menschen ihren Lebensraum und ihre Zukunft gestalten könnten.

Die zwischendurch lässig, unkonventionell, mit köstlicher Pantomimik auftretenden Herren des A-Capella-Quintetts „Vocaldente“ nahmen mit der Leichtigkeit ihres musikalischen Vortrags dem Thema seine Schwere und trugen zum wohltuend heiteren Rahmen der Veranstaltung bei. Damit unterstrichen sie die Botschaft des Abends: Nicht Moral-Appelle lostreten, sondern innovative Ideen aufzeigen und verwirklichen.

Dr. Karl Hans Arnold

„Nur wer weiß, wovon man spricht, kann andere überzeugen“, ergänzte Dr. Karl Hans Arnold in seiner „Laudatio“. Mögen viele Klima-Protestler anwesend gewesen sein.

Dann kam er. Fast schüchtern wirkende Kapazität. Mit kleinem Notiz-Block. Kein Vortrag geplant, sondern eine verhaltene, unaufdringliche Rede. „Öko-Effektivität“ thematisierend, ein nachhaltiges Wirtschaftsprinzip, bei dem biologische und technische Kreisläufe miteinander verschränkt werden. Produkte und Produktionsprozesse müssten so ent­wi­ckelt werden, dass sie unschäd­lich für Mensch und Natur und wiederverwendbar für andere Kreisläufe seien. Ziel des Konzeptes: Es darf kei­nen unbrauchbaren Abfall geben.

„Nachhaltigkeit“ nennt man das. Prof. Braungart und der US-amerikanische Architekt William McDonough sprechen vom „Cradle to Cradle – Konzept“. „Von der Wiege zur Wiege“, nicht „von der Wiege zur Bahre“. Laienverständliche Begriffsdefinition.

„Tempora mutantur et nos mutamur in illis. Die Zeiten ändern sich und wir uns in ihnen.“ heißt es in einem antiken Lehrgedicht. Das duale System „Grüner Punkt“, das seit 1991 die Nutzung von Wertstoffen aus Abfällen propagiere, suggeriere, dass wir das Problem im Griff hätten, kritisiert der Experte. Seit seiner Einführung seien jedoch kein giftiger Klebstoff und kein giftiges Pigment vom Markt verschwunden. Wir müssten umdenken.

Der Umwelt-Fachmann Braungart lehnt den Grünen Punkt ab. Schadstoff-freie Kunststoffe mit Umwelt-freundlichem Design müssten auf den Markt. Nicht umweltfreundlich sei es z. B., Papier zu recyceln, das vorher mit giftigen Farben bedruckt wurde. Gifte mit ihrer schädlichen Wirkung auf Mensch und Umwelt blieben so Bestandteile des Recyclingkreislaufs.

Cradle-to-Cradle bedeute: Was hergestellt wird, sollte vor der Produktion so geplant werden, dass eine Weiterverwendung der Materialien nach dem Ende der Nutzung einkalkuliert werde. Verdeutlicht am Beispiel „Waschmaschine“: Man kauft keine Maschine, sondern das Recht, 3.000-mal zu waschen. Danach gibt man das Gerät zurück, damit es wiederverwertet werden kann.

Ansprache des Preisträgers Prof. Braungart
Prof. Braungart trägt sich in das goldene Buch der Stadt ein.

Statt Verbrauchern ein schlechtes Gewissen zu machen und ihnen umweltschädliches Verhalten vorzuwerfen, solle man positive Ziele setzen, so Braungart. „Weniger schlecht“ bedeute  nicht „gut“. Es gehe nicht um „weniger“ Autofahren oder „weniger“ Müll. Für die Umwelt müssten wir „nützlich“, nicht „weniger schädlich“ sein. Man schone sie nicht, indem man weniger, sondern intelligenter produziere.

Für eine monotheistische Religion wie das Christentum sei der Mensch von Natur aus „böse“ und müsse erlöst werden. Das Gefühl, schuldig und böse zu sein, bringe uns in der Umweltdiskussion aber nicht weiter.

In China habe er erlebt, dass nach dem Essen die Toilette benutzt werde und so „Nährstoffe“ für die Düngung dort blieben. Leider gebe es bei uns keine Düngung mit „unseren Nährstoffen“. Die Zuhörer verstanden und applaudierten wohlwollend. Eine andere China-Erfahrung werde aber umgesetzt: Kompostierbare Sitzbezüge, die bei der Lufthansa und Thai Airways im Einsatz sind. Sie seien aus einem Faserstoff hergestellt, auf den er in China gestoßen und der sogar essbar sei.

Der „blühende Kirschbaum“ durfte in seinem lebensnahen Beitrag nicht fehlen. Die Natur spare nicht, sondern verschwende ihre Pracht und verwerte alles in einem geschlossenen Kreislauf wieder. So müsse auch unsere Wirtschaft vonstattengehen.

Mönchengladbach könnte demnächst mit der angebotenen, ehrenamtlichen Unterstützung des neuen Preisträgers „Cradle-to-Cradle“- Großstadt werden. Ein Glück auch für die Stadt, dass sie ein neues Rathaus plant. Sie kann sich am Cradle-to-Cradle-Rathaus in der niederländischen Stadt Venlo orientieren, dessen Nordfassade auf rund 2000 m2 Fläche begrünt ist. Man  hat schon mehrere Gebäude nach diesem Prinzip realisiert. Der Venloer Bürgermeister Antoin Scholten war bei der Verleihung der „Goldenen Blume“ anwesend.

Viele Menschen würden sein Engagement unterstützen, betonte ein bescheiden auftretender Professor Braungart. Die „Goldene Blume“ wurde einem würdigen Preisträger überreicht.

0 - 0

Danke für Ihre Abstimmung!

Sorry, Sie haben schon abgestimmt!