Sonderzüge nach Nürnberg und Dresden. Glühwein und Reibekuchen. Original Erzgebirge und Frankfurter Würstchen. Frömmelnde Krippenfiguren. Weihnachtsmänner. Weihnachtsfrauen. Duftströme. Es riecht und klingelt. Glöckchen klingeln. Kassen klingeln. Lichter auf dem Markt, über dem Markt. Lichterglanz und Lichterketten. Geschiebe und Gedränge. Taschen und Tüten. Schnickschnack und Shoppingwelt. Weihnachten?
Weihnachtsmarkt ist Leben, weckt Emotionen. Man geht nicht über den Markt, man lässt sich schieben. Keine verklärten Nächte mit Sternenhimmel. Zu „Weihnachten im Untergeschoss“ lädt ein Angebots-Allerlei ins Tiefparterre ein. Verlockende Idee? Wahrscheinlich nicht. Weihnachten geschieht oberirdisch, ebenerdig; zwischen Anderem, mit Anderen.
Die junge Frau kommt sich verloren vor. Ein Bürotag liegt hinter ihr – Telefon und Faxgerät, Computer und Bildschirm. Jetzt der Abstecher über den Weihnachtsmarkt. Das soll sie auf andere Gedanken bringen. Eigentlich graut ihr vor Tannengrün und Lametta, vor Friede und Freude, vor Stille Nacht-Familienszenen, vor verordnetem Weihnachtsfrieden. Endlich die Last der Regeln abschütteln; keine Geschenke, keine Gans, kein Baum, keine Lieder.
Wenn man sich sonst nichts zu sagen hat, dann auch nicht zu Weihnachten.
Seit einem halben Jahr ist sie allein. Wem soll sie etwas sagen? Was sucht sie hier? Glückseligkeit? Sie weiß es nicht. „Mama, guck mal, der Stern“, ruft ein Kind. „Zwei Stück für drei Euro“, ruft jemand. Sie will nichts hören. Hört dennoch. „Drei Euro für zwei Windlichter.“ Braucht sie nicht. Nicht für den Garten, nicht für den Balkon. „Drei Euro.“ Hat sie nicht Nein gesagt? Sie sieht die Lichter. „Weihnachten braucht man Licht“, sagt der Verkäufer. Sie reagiert nicht. Dann doch.
Sie wollte nichts kaufen. Jetzt muss sie die Windlichter durch das Gedränge bugsieren. Wo soll sie die hinstellen? Mal sehen. Ein bisschen Licht braucht man vielleicht. Lebensfreude, hat der Mann gesagt, als er ihr die Tüte mit den Lichtern in die Hand drückte. Lebensfreude? Im Büro hat sie davon nichts gespürt. Lebensfreude vom Weihnachtsmarkt. Fahler Dezemberhimmel, aber sie hat die Lichter. Einen Tannenbaum wird sie nicht aufstellen.