Ich will brennen

Ich liege im Karton. Es ist eng hier; die Luft ist schlecht. Über einander, neben einander, wild durch einander liegen wir.  Ein ganzes Jahr lang warte ich darauf, dass mich jemand herausholt und mich anzündet. Warten soll ich, bis ich an der Reihe bin, hat man gesagt. Warum muss ich warten? Wenn es dunkel wird, braucht man Licht. Oder soll es dunkel bleiben? Ich habe das Warten satt. Vom langen Warten und Liegen werde ich krumm. Niemand mag eine krumme Kerze. Krumme Kerzen werfen krumme Schatten. Behaglich einrichten kann ich mich hier nicht; es ist viel zu eng. Sehen kann ich auch nichts. Stockdunkel ist es.

Brennen möchte ich. Wer zündet mich an? Wer es hell haben will, braucht Licht. Mein Licht kann nicht die ganze Welt hell machen; das weiß ich. Aber für das, was jemand sehen muss, reicht es aus. Und je dunkler es ist, desto heller scheine ich. Wer sich an mein Licht gewöhnt hat, wird staunen, was er alles sehen kann. Er wird erkennen, wie viele Lichtblicke es in seinem Leben gibt – viel mehr, als er vermutet hat.

Beklagt euch nicht, wenn es dunkel wird. Zündet ein Licht an. Dann ist es mit der Dunkelheit vorbei. Aber beeilt euch. Mein Licht brennt nur für kurze Zeit. Mir geht es so wie euch: Es gibt mich nicht für immer. Wenn mein Licht zu flackern beginnt, dann erlischt es bald.

Auch ihr seid froh, wenn Ihr jemandem Licht in sein Leben bringt. Euer Licht hinterlässt Spuren. Aber wartet nicht, bis ihr nicht mehr leuchten könnt; dann könnt ihr anderen nicht von eurem Licht weitergeben.

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