Sterne lügen nicht

Der Mönchengladbacher Autor, Peter Josef Dickers; Foto: Günter Pfützenreuter

Seit undenklichen Zeiten ziehe ich meine Bahn. Ich bin einer von vielen. Man weiß nicht, wie viel Sternlein ziehen, wird gesagt. Mich kennen nicht viele. Tagsüber ist es zu hell, um mich sehen zu können. Nachts bin ich zu klein, um mich gegen das Gefunkel am Himmel und gegen die Lichter auf der Erde behaupten zu können. Wer mich jedoch entdeckt, dem zeige ich den Weg, selbst in tiefster Nacht.

In jener Nacht konnte man mich nicht übersehen. So hell hatte ich noch nie geschienen. Ansonsten übersieht man mich meistens. „Sterne lügen“, sagte mir einer. Von denen lasse er sich nicht den Weg zeigen. Er wisse selbst, wo es lang gehe. Er sei seines eigenen Glückes Schmied.

„Wir suchen den Superstar“, sagen andere und quälen sich von einer Ausscheidungsrunde in die nächste. Ihr Stern erscheint nicht am Himmel, sondern vorne auf der Bühne. Grelles Scheinwerferlicht richtet sich auf den Kandidaten. Er soll im Rampenlicht stehen und leuchten. Dagegen komme ich nicht an.

„Sterne?“ fragte mich jemand. Die seien als Taler vom Himmel gefallen, habe man ihm erzählt. „Wer nach den Sternen greift, wird bald auf der Nase liegen“, fügte er hinzu. Er verlasse sich lieber auf sich selbst.

Ich hatte mich damit abgefunden, noch eine Ewigkeit unbeachtet meine Bahn zu ziehen. Dann aber entdeckte mich einer. Er hatte seinen Blick nach oben gerichtet. Aus alten Gewohnheiten wollte er aufbrechen; aus Verletzungen, die ihn lähmten und ihn nicht das Schöne im Leben erkennen ließen. Er nahm sich vor, nicht mehr allabendlich den Fernseher einzuschalten, um abschalten zu können. Er wollte nicht jeden Frust mit Alkohol oder Tabletten herunter spülen. Er suchte neue Perspektiven für sein Leben.

Ich machte ihm keine falschen Versprechungen und ließ ihn nicht im Ungewissen, wie lang der Weg sein könne, den er gehen müsse. Aber er machte sich auf den Weg. Seitdem ziehe ich vor ihm her, weit über ihm und dennoch ihm nahe. Ich bin der Stern über seinem Leben und wünsche ihm, dass er ans Ziel kommt.

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