Brief-Kontakte

pendeluhr

Ich habe viele Briefe meiner Mutter und anderer Personen aufbewahrt, die ich während der Jahre im Priesterseminar erhielt. Niemals vorher entwickelte sich ein intensiverer brieflicher Kontakt zwischen uns.

Wir korrespondierten vor allem dann, wenn wir uns am Sonntagnachmittag getroffen hatten. Sechs Briefe der Mutter im November, fünf im Dezember, sechs im darauf folgenden Januar. Die Aufzählung lässt sich fortsetzen. Wer wessen Nähe vermisste – Mutter meine, ich ihre – vermag ich nicht zu sagen.

Manchmal beschrieben die brieflichen Mitteilungen banale Tagesereignisse: Bei den Kirchenvorstands-Wahlen hätten sich keine personellen Veränderungen ergeben. Die Friedhofskapelle sei eingeweiht worden; man habe Liege-Gebühren vereinbart.von fünf DM pro Tag.  Den Namenstag einer Tante sollte ich nicht vergessen. Für ein Paket bedankte Mutter sich, das ich geschickt hatte. Manchmal endete ein Brief mit „Das war’s für heute. Ich gehe schlafen.“

Natürlich fand die bevorstehende Priesterweihe in den Briefen ihren Niederschlag. Die Pfarrnachrichten hätten auf das bevorstehende Ereignis hingewiesen. Der Pfarrer plane akribisch den Verlauf meines ersten Gottesdienstes mit der Gemeinde, die Primiz-Messe. „Wie die Zahl der Messdiener werden wir auch die Zahl der weiß gekleideten Mädchen beschränken müssen wegen der Enge im Altarraum“, habe er mitgeteilt.

Ein befreundeter Geistlicher, den ich gebeten hatte, in dem bevorstehenden Gottesdienst die Ansprache zu übernehmen, reagierte, wie ich befürchtet hatte: „Auf Ihre Bitte ist nicht leicht zu antworten. Es interessiert mich, ob Ihr Vorschlag mit dem Pfarrer abgesprochen wurde und ob die Art und Weise, wie ich die Dinge sehe und ausspreche, ihm liegt. Meine Art, das Priestertum zu sehen, ist nüchtern. Auch neige ich nicht dazu, das Priesterleben vorzugsweise als Opferleben zu betrachten.“

Das sah ich auch so, nicht aber der Pfarrer. Er hielt die Ansprache.

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