Gelingendes Leben

pendeluhr

Ich habe einen anderen Weg gewählt als den vorhin beschriebenen. Meine Beheimatung in der Kirche werde ich nicht aufgeben.

Auch andere Beziehungen sind nicht völlig erkaltet, sondern rücken neu ins Blickfeld. Zeiten, die geprägt waren von Anschuldigungen und Klagen, scheinen der Vergangenheit anzugehören.

Feindbilder sind nicht verblasst, aber es deuten sich Kompromissbereitschaft, Friedenssignale und versöhnliche Töne an. Trennendes schwindet. Noch bewegen wir uns auf unsicherem Terrain. Es mag sein, dass wir uns mit einer schwarzen Null begnügen müssen. Auch das ist positiv.

Geschichte und Geschichten haben mein Leben bestimmt, ein Wechsel vielfältiger Ereignisse. Auch das kann eine Form von Kontinuität sein, die gelingendes Leben ermöglicht.

„Es gibt ein erfülltes Leben trotz unerfüllter Wünsche.“ Dietrich Bonhoeffer hat das gesagt. Dem stimme ich zu. In mein Leben passt mehr hinein, als ich gedacht habe. Wenn die beste Zeit im Leben diejenige ist, die man gerade verbringt, bin ich dabei, ein erfülltes Leben zu leben.

Um so zu leben, muss ich nicht Orte hinter den sieben Bergen oder am Ende der Welt aufsuchen, sondern kann den Platz vor meiner Haustür betreten. Dort bieten sich genügend Wirkungsmöglichkeiten.

Der Rückzug vom Priesteramt hat mich nicht in  seelische Vereinsamung getrieben, wie mir prophezeit wurde. Ich bin kein Bruchpilot und befinde mich nicht im seelischen Vakuum.

Dennoch erlebte ich Situationen, in denen ich nach dem bekannten Strohhalm suchte. Zeiten und Ereignisse haben mich nicht unberührt gelassen. Ich gebe mich nicht der Illusion hin, unverwundbar und gegen alle  Widerstände immun zu sein. Dennoch bin ich resistent geworden gegen manche Widrigkeiten. Das bewahrt mich vor dem Schmoll-Winkel und sichert meine Bodenhaftung.

Ich wollte und will niemanden vergraulen mit meinen Entscheidungen. Dass sich Menschen angegriffen fühlten oder glaubten, ich wolle für mich ein eigenes Glaubens- und Rechtfertigungs-System, eine eigene Normalität, ein privates Himmelreich schaffen, hat mich überrascht und geschmerzt.

Ich fühle mich bedrängt, wenn Misstrauen gesät wird und mit am Tisch sitzt. Ich fühle mich nicht wohl, wenn Neid-Faktoren das zwischenmenschliche Verhältnis stören oder zerstören. Nichtsdestotrotz werde ich nicht in innere Emigration verfallen.

Gedeih oder Verderb hängen nicht von priesterlichen Funktionen ab, die ich ausgeübt habe. Ich leide nicht an Mangelerscheinungen und muss mich nicht neu erfinden, um meinem Leben Sinn zu geben. Ich engagiere mich so, wie es meinen Fähigkeiten und Bedürfnissen entspricht.

Jedoch genieße ich es, nicht immer und überall für etwas zuständig sein und deswegen handeln zu müssen. Ich bin kein Universalgenie. Mir steht kein Universal-Schlüssel für jede Tür zur Verfügung. Nicht alles, was krumm ist, muss ich gerade rücken.

Ich lasse mich nicht treiben von Aktionismus und vorgeblichen Anforderungen, die mein preußisches Pflichtgefühl auf den Plan rufen. Ich bin nicht allein dafür verantwortlich, dass es überall auf der Welt mit dem Leben besser wird. Ich muss nicht die Welt retten oder voranbringen, sie vor allem nicht jenen erklären, denen ihre eigenen Erklärungsversuche ausgegangen sind.

Leidensdruck empfinde ich nicht, wenn ich mich rar mache. Während meiner priesterlichen Dienstzeit habe ich das nicht immer beherzigt. Ich muss nicht jeden Augenblick meines Lebens so planen und organisieren, als sei er der letzte.

Ich erlaube mir, unbeschwerte Momente zu genießen und auf etwas zu verzichten, was angeblich wichtig für mich ist. Auszeiten helfen mir, frei zu bleiben. Wenn eine Pflanze überdüngt wird, lässt sie die Blätter hängen. Das gilt auch für mich.

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