Im Kletterparadies

pendeluhr

Eine Kirche, in der kein Gottesdienst mehr gefeiert wird und keine Gemeindearbeit stattfindet, wurde zur Kletterkirche umfunktioniert. Der Sakralbau sollte nicht zur Investitionsruine verkommen und zum Überbleibsel einer vergangenen Epoche werden.

Wo Vaterunser zum Himmel geschickt wurden, können sich jetzt geübte und neugierig gewordene Kletterer an der Vaterunser-Route versuchen. „Vater unser im Himmel“ Die Route führt hoch hinauf. Höhen bis zu dreizehn Metern fordern heraus. Ängste müssen ausgeblendet werden.

Im Gastronomiebereich haben Besucher die Möglichkeit, etwas verzehren. Sie bestaunen die Himmelsstürmer oder verrichten Stoßgebete, damit die Kletterer heil auf dem Kirchenboden landen.

Ein Workshop wird angeboten über bzw. gegen die „Angst beim Klettern“. Voraussetzung für eine Kletter-Teilnahme ist ein sicherer Vorstieg im oberen fünften Schwierigkeitsgrad. Ängste werden nicht verheimlicht: Je höher eine Route hinaufführt, desto größer die Sorge, für immer die Bodenhaftung zu verlieren.

Klettern hat, so scheint es, religiös-himmlische Dimensionen. Klettern als  Hotline zum Himmel. Dort wird man sich wundern und fragen, welche Zeiten in der Kirche angebrochen sind. Man wird nachsinnen über die Menschen mit ihrer Suche nach zeitgemäßen Kommunikationsmöglichkeiten mit himmlischen Mächten.

Wenn sich Interessierte zu Videospiel-Veranstaltungen treffen, sind es so viele, dass die Veranstalter regulierend eingreifen müssen. Ist das ein Zeichen dafür, dass des Menschen wahrer Himmel einen Ortswechsel vollzogen hat?

In Tempeln, in denen nach herkömmlicher Art Gottesdienst gefeiert wird und die Eucharistie im Mittelpunkt steht, bleiben in der Regel viele Plätze frei. Die neuen Tempel mit ihrer Popcorn-Stimmung melden dagegen „Ausverkauft“. Liegt es an den Tempeln, an den Menschen, an den Göttern, an den neuen Heilsbringern?

Wenn in Tempeln von heute geklettert und gewellnest wird, brauchen wir dann noch herkömmliche Tempel? Für religiöse Events nicht. Für Katholikentage oder Evangelische Kirchentage stehen Marktplätze und Fußballstadien zur Verfügung. Des Kirchenvolkes Wille ruft dann nicht nach engen Kirchenräumen, sondern nach frischer Luft.

Ich habe in Tempeln bisheriger Art Gottesdienst gefeiert: An Feiertagen, wenn kaum ein Platz frei blieb im großen Kirchenraum. An Werktagen um sechs Uhr in der Frühe, wenn sich eine Hand voll Leute mit mir zur Eucharistiefeier zusammenfand. Sie kamen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Erwartungen. Sie kamen, weil ihnen der Ort etwas bedeutete. Brauchen wir noch solche Tempel?

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