Schiffe versenken

pendeluhr

Das Umfunktionieren von Kirchen bietet sich an als lukratives Geschäftsmodell. Über Abrissprämien wird spekuliert. Indien und Pakistan bieten Abwrackstrände auf den Weltmeeren für nicht mehr verwendungsfähige Schiffe an.

Die Gunst der Stunde könnte man nutzen. Es werden nicht nur Kirchen, sondern auch Einkaufszentren, Postämter, Krankenhäuser und Schulen überflüssig. Das Jedermann-Spiel vom Sterben des reichen Mannes erlangt aktuelle Bedeutung.

Geschäftsführende Gesellschafter einer Wohnbau-Gesellschaft preisen den Umbau einer Kapelle zu Wohnungen als Juwel an. Künftigen Bewohnern wird das Flair eines historischen Kreuzgewölbes im Obergeschoss verheißen.

„Luxusquartier statt Beichtstuhl“ heißt das Projekt. Kulturbauten werden einer neuen, wirtschaftlich und gesellschaftlich angemessenen Nutzung zugeführt. Sensibler Umgang mit sakraler Bausubstanz ist garantiert.

Vorbilder gibt es in den Niederlanden. In der alten romanischen Kirche einer ehemaligen Festungsstadt ist der „schönste Buchladen der Welt“ eröffnet worden. Aus anderen Kirchen wurden Modegeschäfte, Hörsäle, Museen. Noch scheut sich die Amtskirche hierzulande, den Leerstand von Kirchen durch Abriss zu reduzieren.

Ist einem Abbruch-Unternehmen Kirche, das „Schiffe versenken“ praktiziert, Pfarreien fusioniert und soziale Einrichtungen schließt, bewusst, dass Menschen durch solche Maßnahmen ein Stück Heimat, ein Stück Himmel verloren geht?

Sind Kirchen keine Orte, an denen Menschen Antwort suchen auf Fragen nach dem Sinn ihres Lebens? Sind sie keine Orte, an denen Glaubende gestaltete, vertraute Räume ihres Glaubens antreffen möchten? Sind sie keine Orte, an denen Glaubende und Zweifelnde jemandem ihre Geschichten vom Scheitern und Hoffen bekennen oder zuflüstern können? Sind sie keine Orte, an denen Bedrängte Schutz und Zuflucht zu finden hoffen? Sind sie keine Orte, an denen Christen sich zu Hause fühlen können?

Gelegenheit macht Kirche. Ich kenne Menschen, die Kirchen „auf’s Dach klettern“; Menschen, die einen Kirchturm besteigen und die Aussicht auf Stadt oder Dorf genießen; Menschen, die eine Kirche in erster Linie als Kunst-Werk verstehen und die Harmonie der Backstein-Gotik bewundern.

Sind das nicht Menschen, um derentwillen es lohnen kann, Kirchen am Leben zu halten?

Von Krisen reden wir – Bankenkrisen, Schuldenkrisen, Wirtschaftskrisen, Glaubenskrisen, Vertrauenskrisen. Es gibt unterschiedliche Wege, Krisen zu bewältigen. Lösungsansätze können an Orten beginnen, an denen Menschen Mut schöpfen, sich auf den Weg zu machen. Ob sich dazu Kletterparadiese eignen? Das Verlangen und die Suche nach religiösem Halt  enden nicht vor verschlossenen Kirchentüren oder umfunktionierten Gotteshäusern.

Warum denken die Kirchen nicht darüber nach, ob und wie sie Räume, die sie glauben aufgeben zu müssen, auf andere Weise mit Leben füllen können? Können sie nicht verstehen, dass jemand, der in einer bestimmten Kirche getauft wurde, zur Kommunion ging, gefirmt wurde, geheiratet und gebetet hat, nicht Pizza oder Hamburger essen möchte?

Können Kirchenobere nicht nachvollziehen, dass man seine Verbundenheit mit der Institution Kirche auch dann aufrecht erhalten kann, wenn man, aus welchen Gründen auch immer, in kritische Distanz zur amtlichen Kirche oder zu einer konkreten Gemeinde getreten ist?

Es könnte solchen Menschen wie mir ergehen. Ich habe mich von etlichen Formen und Inhalten kirchlichen Lebens und Tuns gelöst. damit aber nicht alle Türen dahin verriegelt. Man kann mir ein „Sie dürfen nicht“ entgegen rufen. Das wird aber nicht zur Folge haben, dass ich das Kirchenschiff versenke und es in irgendwelchen Fluten untergehen lasse.

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