Schützenbruderschaften noch zeitgemäß?

„Die St. Nikolausbruderschaft begrüßt ihre Besucher auf der neuen modern gestalteten Homepage. Das Design haben wir neu gestaltet. Wir sind uns sicher, dass wir mit unserem neuen Outfit noch mehr Besucher ansprechen werden. Die Inhalte bleiben wie gewohnt.“

So weit, so gut. Oder doch nicht?

Die frohe Kunde auf der Internetseite ist die eine Nachricht. Eine andere verbirgt sich hinter der aktuellen Mitteilung, dass „es trotz bester Tradition nicht gelungen ist, einen Schützenkönig zu finden“; und das schon zum dritten Mal.

Zusätzlich heißt es: „Da die Zahl der Besucher bei Klompenball und Parade in den letzten Jahren abgenommen hat, werden diese auf den Spätnachmittag bzw. frühen Abend verlegt, damit auch Berufs-tätige teilnehmen können.“

„Feierfreudige Schützen sind stolz darauf, die alten Sitten und Bräuche zu pflegen und im Wir-Gefühl junge Menschen zu begeistern“, erklärt der Bezirksbrudermeister. Im Schützen-Wesen engagierte Bruderschaften wollen „das kulturelle Erbe und traditionelles Brauchtum pflegen“. Das Schützenbrauchtum sei ein wichtiges Fundament von Tradition und Moderne, wird betont.

Geht es auch den Schaulustigen am Straßenrand um dieses Anliegen, oder kommen sie, um ein schönes Ereignis zu genießen, wenn vorbeimarschierende Männer in schnittiger Parade-Uniform zu bewundern sind?

Warum sind es inzwischen, wie die Bruderschaft feststellt, weniger Schaulustige als vor Jahren? Warum fehlen Bewerber für die Königswürde? Nur aus beruflichen Gründen?

An manchen Fassaden bröckelt der Stuck. Auch an Bruderschafts-Fassaden? Müssen sich Bruder-schaften und Schützenvereine nicht selbstkritisch fragen, ob sie so, wie sie sich präsentieren, in unsere Zeit passen? Sind sie trotz lokaler Bedeutsamkeit in Gefahr, würdevoll bedeutungslos zu werden?

Das würden viele bedauern. Bruderschaften müssen nicht in der Versenkung verschwinden. Gesellschaftliches Leben funktioniert deswegen, weil es kleine und große Zellen gibt, die innerhalb der eigenen Gruppe und im Austausch mit anderen Gemeinschaften Kontakte pflegen und Halt finden

Solche Bindungen brauchen Zeit und sie wachsen mit der Zeit. „Gut Ding will Weile haben.“ Dabei geht es um die Verkettung von Vergangenheit und Zukunft, einer bestmöglichen Zukunft.

Staat und Kirchen befinden sich im Umbruch und müssen sich mit pluralistischen Wertvorstellungen auseinandersetzen. Das gelingt leichter, wenn sie sich auf bewährte Teams stützen können, die solche Brüche selbst erleben und auffangen lernen.

Ein amerikanischer Präsident, der mit einem Federstrich beiseiteschiebt, was mühsam zusammengewachsen ist, hat davon keine Ahnung.

Wenn Bruderschaften nicht krampfhaft an dem festhalten, was einmal gewesen und wie etwas gewesen ist, dann haben sie eine Zukunft. Dazu müssen sie aber neue Antworten zulassen und Darstellungsformen finden, die zeitgemäß sind und bisherige Überlegungen ergänzen. Dann könnten z. B. neue Kriterien erarbeitet werden, um nicht wieder ein paar Jahre auf den nächsten Schützenkönig warten zu müssen.

Man kann nichts herbeiwünschen, was verlorengegangen ist. Es bringt niemanden weiter, in eine angeblich gute, alte Zeit zurückzureisen. Zukunftsträchtige Ideen müssen nicht mit sämtlichen alten Gewohnheiten brechen. Es geht vielmehr darum, ein neues Bewusstsein zu schaffen, damit alter Wein in neue Schläuche gefüllt werden kann.

Wenn Schützenpracht auf normales tägliches Leben prallt, weckt das immer noch Emotionen, die bei vielen Menschen das Herz aufgehen lässt. Das tut zumindest denen gut, die an der Zerrissenheit ihres eigenen und des gesellschaftlichen Lebens leiden und sich daher gern an dem bunten Folklore-Spiel erfreuen, welches die Schützen für sie aufführen.

Wenn eine Bruderschaft ein aktuelles Design auf ihrer Homepage erstellt, wird sie sicher auch darüber nachdenken können, ob es wirklich dabei bleiben soll, an den Inhalten nichts zu ändern. Schützen wollen sich inzwischen auch für Schwule und Moslems öffnen. Und vielleicht wagen sie zusätzlich einen Blick über den Schützen-Zaun hin zu jenen Bruderschaften, die in ihre Reihen auch Schützen-Schwestern eingebunden haben.

Die Emanzipation des weiblichen Geschlechts erschöpft sich nicht darin, für saubere und gebügelte Parade-Hosen der Schützen-Brüder zu sorgen. Will man sich daher jene Chance entgehen lassen, die mancherorts erfolgreich in die Tat umgesetzt wird, dass weibliche Schützen-Aktivitäten den Brüdern neuen Charme verleihen? Von Schützenbruderschaften sind noch viele kluge Entscheidungen zu erwarten, wenn sie die Fließrichtung der Bedürfnisse unserer Zeit beachten.

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