Am 30. Januar hätte das neue Stück Premiere im Theater Krefeld. Stattdessen kommt es nur via Internet direkt zu den Zuschauern nach Hause.
In Krefeld ist Joseph Beuys am 12. Mai 1921 zur Welt gekommen. Einer der einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts, der in seinem Werk permanent die Kunst wie das Leben befragt und die Grenzziehungen zwischen Kunst und Leben permanent in Frage gestellt hat, als Zeichner, Bildhauer, Aktionskünstler, Redner, Poet, humorvoller und unermüdlicher Streiter für mehr Demokratie. Sein 100ster Geburtstag im Jahr 2021 wird in seiner Geburtsstadt groß gefeiert. Im Kaiser-Wilhelm-Museum am Joseph-Beuys-Platz, aber etwa auch am Kresch-Theater, für das Helmut Wenderoth ein Beuys-Stück schreibt.
Das Theater Krefeld und Mönchengladbach gratuliert mit einer Uraufführung im Großen Haus, mit „Beuys‘ Küche“.
Mit Texten des Lyrikers, Librettisten und Erzählers Christoph Klimke sowie aus anderen Quellen, konzipiert der Regisseur, Choreograph und Theatererforscher Sebastian Blasius mit den Schauspieler*innen Nele Jung, Eva Spott, Philipp Sommer, Paul Steinbach, Ronny Tomiska und Bruno Winzen einen Theaterabend, der sich mit Beuys‘ Wirken auseinandersetzt. An der Konzeption beteiligt ist der Bühnenbildner Caspar Pichner.
Entstehen soll kein biographisches Stück, sondern eine Inszenierung, die etwas vom Beuys’schen Spirit einfangen möchte.
Gefragt, ob Beuys‘ Küche nur etwas für Beuys-Kenner, für ‚Kunstauskenner‘, werden würde, antwortet Sebastian Blasius mit der Rückfrage, ob denn Beuys nur etwas für Kunstauskenner sei: Mein Eindruck ist, so Blasius weiter, man kommt seinen Arbeiten durchaus nah, wenn man ihnen mit offenen Sinnen begegnet und nachvollzieht, was man dabei erfährt und assoziiert. Da strömen zum Beispiel zahlreiche Schlitten aus einem VW-Bus, lassen an ein Rudel oder an Nomadisches denken und sind zugleich wie eingefroren. So bin ich schon mitten im Beuys’schen Kosmos.
Müssen die Zuschauerinnen etwas wissen von Beuys? Sebastian Blasius: Nein, mir schwebt ein Theaterabend vor, der für sich stehen kann und eher implizit auf Beuys Bezug nimmt. Ich würde klar sagen: Ich brauche kein Vorwissen. Im Sinne von Beuys kann es aber hilfreich sein, eigene Seherwartungen und Sehkonventionen befragen zu lassen. Beuys ging es ja immer darum, ein anderes Wahrnehmen zu initiieren und Gegenbilder zum Bestehenden zu schaffen. Was sind die leitenden Gedanken für Ihre Arbeit an dem Projekt Beuys‘ Küche? Sebastian Blasius: Ich nähere mich Beuys weniger über seine Themen, wie etwa Ökologie oder die Aufhebung von Entfremdungsphänomenen. Ich möchte an seine künstlerischen Prinzipien andocken und sie für das Theater fruchtbar machen: Zum Beispiel, Bilder als etwas Nomadisches denken, das sich stetig modifiziert und sich nicht scharfstellen lässt. Oder mit Materialien arbeiten – bestimmten Texten etwa –, die man eher nicht auf einer Bühne erwartet, weil sie aus alltäglichen, kunstfremden Kontexten stammen. Warum sollten wir Heutige uns für Beuys interessieren, im 21. Jahrhundert? Sebastian Blasius: Man muss mit Beuys weltanschaulich nicht übereinstimmen, um an seinen Fragen teilzuhaben – nach der Möglichkeit zu gesellschaftlicher Veränderung, nach einem anderen Verhältnis zu unserer Umwelt, nach Alternativen zu Prinzipien der Rationalität und Ökonomie. Ich bewundere, wie er diese Fragen aufgeworfen hat, als sie noch lange nicht konsensfähig waren. Ähnliches gilt für seinen Kunstbegriff: Etwa die Öffnung der Kunst auf soziale Praktiken hin oder das fast ausschließliche Arbeiten mit damals noch nicht als ‚Kunst‘ konnotierten Materialien, wie etwa Margarine oder Filz. Das ist für heutige Künstlerinnen ja recht gängig, im Nachkriegsdeutschland war es das definitiv nicht.