In einer Tageszeitung entdeckte ich einen Leserbrief zum „Papstbesuch“. Papst Johannes Paul II. plante einen mehrtägigen Aufenthalt in Deutschland. Das nahm ein Schreiber zum Anlass, sich kritisch dazu zu äußern.
„Der Besuch des Papstes in Deutschland scheint unvermeidbar“, begann er. „Zu teuer werden das Triumph-Gebaren und die Demonstrationen des Glanzes und der Stärke erkauft. Schauspielerische Talente können nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Papst jede Öffnung der katholischen Kirche verhindern möchte.“ „Wenn der Papst die ganze deutsche Nation ehren wollte, hätte er zur 450-Jahr-Feier der Confessio Augustana nach Augsburg kommen sollen.“
Die zitierten und weitere Ausführungen des Schreibers veranlassten mich, ihm zu antworten. Ich kannte ihn und wusste um die Position, die er innehatte, die aber in seinem Leserbrief unerwähnt blieb:
Ihr Leserbrief zum Papstbesuch hat mich überrascht. Weder Inhalt noch Wortwahl lassen darauf schließen, dass sich ein evangelischer Pfarrer hinter dem Schreiber verbirgt. Dem dürfte man mehr Sachkenntnis sowie die Bereitschaft zuschreiben, Kritik so zu formulieren, dass sie einem anschließenden Gespräch und in unserem Fall der Ökumene dient.
Oder möchten Sie dies ausschließen und deswegen Ihre Zugehörigkeit zur Evangelischen Kirche und Ihre Dienstfunktion verschweigen? Oder warum möchten Sie anonym bleiben?
Es ist erstaunlich, dass Sie in die Rolle des scheinbar betroffenen Katholiken schlüpfen, der sich ungeklärten Fragestellungen in seiner Kirche gegenübersieht. Sind Zölibat, Messdienerinnen, katholische bzw. päpstliche Marien-Frömmigkeit – für Sie abschätzig „Marienkult“ – Ihr Problem?
Sprechen Sie als Protestant dem ökumenischen Partner das Recht ab, eigene innerkirchliche Akzente zu setzen, die Zeichen seines Glaubens und seiner Frömmigkeit sein wollen? Muss man Dinge erst abschaffen, ehe man ökumenisch darüber reden kann?
Mich macht betroffen Ihre Unkenntnis, dass der Papst nicht einen unerwarteten Besuch macht, sondern von der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz eingeladen wurde. Ob er auch zur Feier der Confessio Augustana eingeladen worden war, ist mir nicht bekannt. Ihre Aussage „Der Besuch des Papstes in Deutschland scheint unvermeidbar“ lässt an Peinlichkeit nichts zu wünschen übrig.
Es macht mich betroffen, dass Sie nicht zur deutschen Nation zählen wollen, die der Papst besucht. Werden Sie die Augen schließen, wenn er deutschen Boden küsst, weil er es wagt, auf demselben Boden zu knien, den auch Sie unter Ihren Füßen haben?
Es macht mich betroffen, dass Sie „erkauftes Triumph-Gebaren“ ( erkauft – mit Geld erworben? ) und Demonstration der Stärke zu erkennen glauben. Womit belegen Sie Ihre Aussagen? Galt das auch für den Besuch des Papstes in den Slums des brasilianischen Nordens?
Es tut mir leid, das formulieren zu müssen: Ihre Worte zeigen unbrüderliches, mit sachlicher Unkenntnis gepaartes Verhalten.
Betroffen macht mich Ihre verletzende Sprache. Ich möchte es mir ersparen, Ihre Diktionen zu wiederholen. Glauben Sie, dass sich so mit Ihnen reden, vor allem ökumenisch reden lässt?
Die ökumenischen Bemühungen in unserer Stadt, an denen auch Sie beteiligt sind, haben durch Ihren Brief Schaden gelitten.
Ich frage: Sind Sie bereit, zu Ihrem Brief noch einmal Stellung zu nehmen?
Eine Antwort ist ausgeblieben. Auch in Zukunft werde ich mich zu Wort melden, wenn es um kirchliche Belange geht. Ich bin kein Leisetreter. Ich werde nicht schweigen, auch dann nicht, wenn wiederholt würde: “Sie dürfen nicht“.