Seit Tagen regnete es, endlos. Der große Fluss bedankte sich und spielte mit den Fluten, die ihm von anderen Flüssen, von kleinen und großen Bächen zugeführt wurden. Der Fluss fühlte sich in seinem Element. Er berauschte sich an sich selbst. Man sah ihm an, dass er zum Strom werden wollte. Die Flusskreuzfahrt schickte sich an, Stromkreuzfahrt zu werden.
Die Mitreisenden nahmen es gelassen hin – zunächst. Regen-Wald hatten sie nicht gebucht. Kein Grund, in Panik zu geraten. So viel Wasser hat ein Fluss nicht alle Tage, auch nicht, wenn der Fluss zum Strom wird. Man ergötzte sich am nassen Schauspiel. Der Fluss seufzte. Er tat sich schwer, die anschwellenden Wassermassen zu bändigen. Er floss über. Fluss im Überfluss. Noch bestand kein Anlass zur Sorge. Vorsorglich wurden die Reisenden aufgefordert, sich mit den Rettungswesten vertraut zu machen. Ich kann schwimmen. Als ich tauchen lernen sollte, tauchten Probleme auf. Ich bin keine wirkliche Wasserratte. Jeder könne es lernen, ermutigte mich der Bademeister. Ich müsse nur wollen. Ich wollte, aber es reichte nicht. Ob mir das zum Verhängnis würde?
Dann die Nachricht, die Garage melde Land unter. Nicht meine Autogarage daheim. Mit dem Auto war ich zum Schiffsanleger gefahren und hatte es der großen Garage anvertraut. Mein Beschützerinstinkt sagte mir, dass es gut aufgehoben war. Garagen sind unverfügbare Zonen – vor Wasser gesichert, gegen Wasser versichert. Dass sich Ströme fließenden Wassers der Garage bemächtigen konnten – undenkbar. Realitätsverweigerung, wie sich herausstellte. Die Garage musste geräumt werden. Sie war zum Garagensee geworden. Um die Seetüchtigkeit der Karossen nicht über Gebühr zu testen, mussten sie ins Freie bugsiert werden. Die Wagenschlüssel hatten die Besitzer vor Ort deponiert.
Wo war mein Schlüssel? Im Safe auf der Kabine. Vorschrift. Dort war er sicher. Wertgegenstand, sagt die Versicherung. Ich musste mich nicht entmutigen lassen. Mein Auto könne nicht aus der Garage geholt werden, hieß es jetzt. Ohne Schlüssel müsse es dort bleiben. Ich müsse den Schlüssel bringen, sonst könne es zu Komplikationen kommen. Mein Auto werde führerlos durch die Garage schwimmen. Platz habe es reichlich, weil es den Garagensee für sich allein nutzen könne. Es war nicht das größte Übel auf Erden, aber ein Übel.
Wie konnte ich meines Autos habhaft werden? Hinschwimmen? Meine Schwimm- und Tauchkünste sind begrenzt. Gute Schwimmer kennen beide Ufer eines Flusses, aber muss man ein schwimmendes Auto besteigen können? Wie ich ein in den Fluten treibendes Auto fahrbereit machen konnte, überforderte mein Denkvermögen. Die Thematik war in der Fahrschule nicht behandelt worden. Wenn doch, war es zu lange her, als dass ich mich erinnerte. War ich verurteilt zu ambitionslosem Nichtstun? Musste ich warten, bis sich der See dahin zurückzog, von wo er kam? Das Gedanken-Karussell drehte sich.
Auf Nikolaus, den Schutzpatron der Seefahrer, setzte ich meine Zuversicht. Schlimmstes würde nicht eintreten. Glauben versetzt Berge. Ob das auch galt für Autogaragen? Ich glaubte, dass mein Auto ohne Schlüssel den Weg ins Freie finden würde. Ich wusste nicht wie, aber ich glaubte. Zwischen glauben und nicht glauben lagen Wasser-Wüsten. Wer Schweres bewältigen will, sagt Berthold Brecht, muss es leicht angehen. Mein Auto habe ich wiedergefunden. Über seine weitere Verwendung habe ich noch nicht entschieden.