Gewinner und Verlierer

pendeluhr

Neue Erfahrungen sammelte ich, laute und leise. Neue musste ich den alten nicht unterordnen; ich konnte sie einbeziehen oder ihnen einen eigenen Platz einräumen. Manche Erfahrungen verliefen so lautlos oder indirekt, dass ich sie kaum wahrnahm. Jede war auf ihre Art bedeutend.

Der bekannte Vergleich mit dem Glas Wasser, das man halb leer oder halb voll betrachten kann, lässt mich den positiven Aspekt hervorheben, wenn ich auch faden Nachgeschmack an die eine oder andere Begebenheit nicht leugnen kann.

Ich war Gewinner und Verlierer – in Kindertagen, während der Studienzeit, in den Jahren des aktiven Priesterseins. Ich habe Unsicherheit und Anerkennung erlebt. Es gab Krisen, Demütigungen und Neuanfänge zu bewältigen. Ich habe Niederlagen erlitten und Siege errungen. Nicht immer gehörte ich zu den Gewinnern, an deren Erfolge man sich gern erinnert. Helden sehen anders aus als ich. An Superhelden, an denen man sich messen lassen muss, besteht in unserer Zeit kein Mangel. Zum Antiheld eigene ich mich allerdings auch nicht.

Nicht immer lebte ich auf der Sonnenseite des Lebens,

das nicht nur Erfolgsgeschichten für mich eingeplant hatte. Wahrscheinlich habe ich Einiges falsch, eine Menge auch richtig gemacht. Viele kleine Schrauben, die man in ein Brett zwängt, können eine ähnlich gute Wirkung haben wie wenige große. Das stimmt mich zuversichtlich.

Meine Duldungs-Bereitschaft wurde getestet; sie stieß an Grenzen. Es ging nicht wie bei der Planwirtschaft zu: Das Risiko, Niederlagen zu erleiden, musste ich in akzeptieren. Mein Leben ist jedoch keine Anhäufung von Katastrophen, wenn sich auch manche Hoffnungen und Pläne zerschlagen haben. Die Reise durch meine Geschichte zeigt mir jedoch, dass ich mein Leben nicht begradigen muss.

Sündenbock war ich, dem man eigene Enttäuschungen auflud. Prügelknabe wurde ich für das Versagen anderer. Menschen waren mir nahe, die mich förderten. Menschen erlebte ich, die mir Beschränkungen  auferlegten oder mich ihrer Doktrin zu unterwerfen suchten.

Ich traf auf jene, die mir wohl gesonnen waren, und erlebte andere, die mir ihre Freundschaft aufkündigten. Es gab Verbündete, die für mich, und Skeptiker, die gegen mich stimmten. Es zeigten sich hauptberufliche Zweifler, die sich durch vornehme Zurückhaltung auszeichneten, wenn ich auf ihre Unterstützung angewiesen war.

Ich musste mich von Menschen verabschieden, die von jetzt auf gleich nicht mehr zu meinen Freunden zählen wollten und mir ihre Zuneigung aufkündigten wie ein Theater-Abonnement.

An vereinbarte und bewährte Vertraulichkeiten; an das, was wir ineinander investiert hatten, fühlten sich manche nicht mehr gebunden. Sie zweifelten daran, dass bei mir noch alles in Ordnung war. Sie ließen mich wie ein Fossil, wie ein Requisit am Wegrand zurück und zuckten ungerührt mit den Schultern.

Mich verließen Menschen, deren Hoffnungen und Erwartungen ich nicht erfüllen konnte. Beziehungen erwiesen sich als kurzlebig wie Eintagsfliegen.

Es kreuzten Verunsicherte meine Wege, die wie Kinder eine Hand vor die Augen hielten und meinten, sich so vor mir verbergen zu können. Ich sah mich genötigt, die Nähe von Menschen zu dulden, deren Weitsicht an der nächsten Straßen-Laterne endete.

Nicht immer gelang es mir, die Contenance zu wahren und gelassen auf Zumutungen zu reagieren. Was ich für gut hielt, war nicht mehr gut, vielmehr das Gegenteil. Geduldsproben wurden mir abverlangt.

Das Leben kann aus einer Ansammlung von Widersprüchen bestehen und dazu zwingen, unwägbare Wege zu gehen. Meine Lebenslinien verliefen zwischen Zuspruch und Widerspruch, zwischen Anerkennung und Aufbegehren. Die Diskrepanz hätte nicht größer sein können. Aber so wird es nicht nur mir ergehen.

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