Gestern war der Fluss spiegelglatt. Kein Lüftchen regte sich. Heute ist es anders. Das Wasser bewegt sich, nicht übermäßig, nicht stürmisch. Es ist nicht in Aufruhr, zeigt keine weißen Schaumflecken, bildet keine Wellenberge. Aber es regt sich.
„Gestern war das Wetter besser“, sagt der Herr am Nebentisch. Ob er das mir oder sich sagt, kann ich nicht beurteilen. Den ganzen Tag habe er im Liegestuhl auf dem Sonnendeck gelegen. „Heute ist das vorbei.“ Der Tonfall in seiner Stimme verrät, dass sich seine Begeisterung über die Wetterlage in Grenzen hält.
Jetzt registriert er, dass seine Unmutsäußerung zu mir herüber geschwappt ist. Er scheint zu erwarten, dass ich ihm beipflichte. Er sucht Verbündete. Aber ich reagiere nicht – jedenfalls nicht, wie von ihm erhofft. Stattdessen Wortstille. Keine Schaumkronen. Keine Wortberge.
Mein Unmut-Nachbar hält mich wahrscheinlich für taubstumm. Der sich regende Fluss und die leichte Brise können einen nicht unbewegt lassen. An Land rascheln die Blätter an den Bäumen, dünne Zweige bewegen sich. Bewegung gebiert Regung. Auch ich habe mich zu regen. Aber wir sind nicht an Land, sondern auf dem Fluss. Muss etwas überall gelten, was an einer bestimmten Stelle auf dem Globus geschieht? Muss jeder Wind Gegenwind erzeugen? Können Winde nicht verebben?
Der Herr am Nebentisch versteht mich nicht. Er sagt es nicht, aber er deutet es an: Eine leichte Brise umspielt seine Mundwinkel. Ob sie schäumend, bedrohlich wird? Nein, sie entwickelt sich spielerisch. Sie bleibt es und verebbt. Auf der Wasseroberfläche kann sich die Brise nicht entscheiden, ob sie Brise bleibt oder nicht. Am Nebentisch hat sie sich entschieden – für Windstille.