Braucht die Kirche eine Neuorientierung hinsichtlich des Priestermangels?
Nein, sagt ein Kardinal. Das Thema sei so oft diskutiert worden, dass alte Argumente nicht wiederholt werden müssten.
Nein, sagt ein Generalvikar. Kontraproduktiv sei der Aufruf dazu.
Nein, sagt ein Abgeordneter. Er entdeckt plötzlich Nichteinmischungsklauseln und plädiert für das Prinzip, sich aus innerkirchlichen Angelegenheiten herauszuhalten.
Welcher Geist der Furchtsamkeit, welche kollektive Angst hält die Nein-Sager gefangen? Ist der Geist der Zuversicht im Gestrüpp kirchlicher Paragraphen stecken geblieben?
Wer will dem Präsidenten des Deutschen Bundestags widersprechen, den „die fröhliche Gleichgültigkeit nervös macht“. Dürfen Glaubwürdigkeitsdebatten nicht unabhängig davon geführt werden, wie oft ein Thema diskutiert wurde?
Erinnert man sich an die Rede von Papst Johannes XXIII. anlässlich der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils? Man wolle auf veränderte Situationen und Lebensformen Antworten suchen, versprach er. Vom „aggiornamento“ war die Rede: Man müsse sich der Gegenwart stellen.
Damit richtete sich der Papst auch gegen kirchliche Beton-Strukturen, gegen tödliche Unbeweglichkeit, gegen klerikale Alleinvertretungsansprüche, gegen Vergangenheits-Propheten, welche die Persistenz alter Ordnungen und Verordnungen verteidigen.
Hat das Kirchenvolk kein Recht, kritische Fragen zu stellen und authentische Bedürfnisse anzumelden, wenn „tua res igitur“ – wenn es „um seine Sache geht“, wie der römische Dichter Horaz vor zweitausend Jahren formuliert hat?
Darf es nicht jene mit Fragen konfrontieren und sich ihnen widersetzen, wenn sie mit offenen Augen nichts sehen? Darf es nicht jenen entgegen treten, die nicht verstehen, dass andere sie nicht verstehen?
Darf sich nicht Widerspruchsgeist regen, wenn heute Entscheidungen von gestern für vorgestern getroffen werden?
Haben engagierte Christen widerspruchslos zu applaudieren, wenn Oberhirten mit einem „Wir-wissen-es“ auf Hoheitsansprüche pochen?
Dürfen sich Christen heute nur an Gewissheiten von gestern orientieren, an einer angeblich christlicher geprägten Vergangenheit?
Meine Entfernung vom priesterlichen Dienst, die im Gesuch um Laisierung kulminierte, hatte sich nicht unabhängig ergeben von einer obrigkeitshörigen, rückwärts gewandten Kirche bzw. einigen ihrer Dienstboten.
Ein Märchen der Gebrüder Grimm erzählt von der Heckentür. Die Mutter untersagte ihren Kindern, diese zu öffnen und das Haus zu verlassen. Eines Tages brechen die Kinder aus der Behütung aus, nehmen aber die Heckentür mit. Als sie in Gefahr geraten, klettern sie auf einen Baum, von dem aus sie die Heckentür herunter werfen.
Mut gehörte dazu. Mut war ihnen nicht in die Wiege gelegt worden. Sie mussten sich dazu durchringen und abschätzen, was sie sich zutrauen konnten. Zivilcourage gehörte dazu, um die Dominanz der Unterordnung zu durchbrechen.
Ich mische mich nicht ein. Ich wasche meine Hände in Unschuld. So verteidigte sich der Statthalter des römischen Kaisers und verurteilte Jesus zum Tode. Das persönliche Image, gute Beziehungen, die Karriere hätten Schaden nehmen können.
Die Wirklichkeit musste den Bedürfnissen angepasst werden. Einen Ruf, das Gute im Schlechten zu sehen, sich als Wetterfahne zu zeigen, nahm er in Kauf. Er spürte, woher der Wind wehte, wollte aber selbst keinen Wind erzeugen.
„Veni creator spiritus – Komm, Heiliger Geist“. Der aus dem 9, Jahrhundert stammende Hymnus hat Einzug in die Pfingstliturgie der Katholischen Kirche gehalten. Ob dieser Flügel verleihende Geist auch jene erreicht, die das Sagen in der Kirche beanspruchen?
Fragen seien nie indiskret, nur Antworten bisweilen. Der irische Schriftsteller Oscar Wilde sagte das.