Verdächtige Gefährtinnen

pendeluhr

Der Erzbischof erteilte mir mit der Priesterweihe auch die Vollmacht „sacramentales confessiones utriusque sexus fidelium audiendi – die Beichte von Gläubigen beiderlei Geschlechtes zu hören“.

Nach zweijähriger Kaplans-Zeit ernannte er mich zum Dekanats-Jugendseelsorger der Frauenjugend, im Vertrauen darauf, „dass ich mich dieser Seelsorge-Aufgabe mit Eifer und priesterlichem Verantwortungs- Bewusstsein widmen werde.“

Dass ich nun jede Gelegenheit nutzen würde, den Urtrieben liebender Umarmung nachzugeben und allen denkbaren Verlockungen erliegen würde, befürchtete der Bischof nicht.

Wenige Wochen nach der Ernennung fuhr ich in Begleitung eines Ehepaares mit einer Mädchengruppe zu einem Ferienaufenthalt an die Ostsee – nicht als Strandwächter oder Maître de Plaisir, sondern als Seelsorger. Mich trieben nicht begehrliche Impulse, nicht Neugier auf junge Mädchen und Frauen. Ich gewann ihr Vertrauen. Sie gewannen das meine. Mir ist nicht bekannt, was diese Mädchen und Frauen dachten oder sagten, als sie zehn Jahre später von meinem Ausscheiden aus dem Amt erfuhren. Klatschspalten können sie nicht bedient haben. Gedacht oder gesagt haben können sie nur, dass sie für meine Entscheidung keinen Grund geliefert haben.

Vierzig Jahre später luden sie zum Wiedersehenstreff ein. Die meisten hatte ich seit Ostsee-Tagen nicht mehr gesehen. Sie brachten Fotos mit – Kaplan mit Mädchen und jungen Frauen am Strand. Es war ein vergnüglicher Abend.

Grund oder Anlass für das spätere Laisierungs-Begehren lieferte auch keine Haushälterin. Frauen, die den Haushalt im Pfarrhaus versorgen, bedienen viele Spekulationsgeschichten. Sie galten und gelten Kritikern als Klassiker klerikaler Tarnung. Priester sind für sie stets auf der Suche nach einer Gesellschaft für einsame Stunden. Sie bleiben Wiederholungstäter und fühlen sich magisch angezogen von halbseidenen Orten, an denen sie ausschauen nach nicht ganz keuschen Gefährten bzw. Gefährtinnen.

Meine mir verdächtig nahe stehende Haushälterin war zeitweise meine Mutter.

0 - 0

Danke für Ihre Abstimmung!

Sorry, Sie haben schon abgestimmt!