Offener Brief an die Ratsfraktionen der Stadt Mönchengladbach:
Sehr geehrte Damen und Herren,
am 12.8. stehen die Planungen zum Europaplatz und den „19 Häusern“ auf der Tagesordnung der Bezirksvertretung Nord und soweit ich informiert bin, soll der Rat in seiner letzten Sitzung vor der Kommunalwahl im September über die zugehörigen Flächennutzungs- Bebauungspläne einen Beschluss fassen.
Die „Bürger-Aktion Umweltschutz Mönchengladbach“ ( BAUM e.V.) nimmt dazu wie folgt Stellung:
Grundsätzliche Beurteilung der Neugestaltung des Komplexes „Haus Westland / Europaplatz“
Das Ansinnen, den Gebäudekomplex des „Haus Westland“ und angrenzender Gebäude sowie den ZOB/Europaplatz umzugestalten und das „Haus Westland“ durch einen Neubau oder mehrere Neubauten zu ersetzen
ist nachvollziehbar und in weiten Teilen als sinnvoll anzusehen.
Es ist fraglich bzw. relativ unstrittig, dass das „Haus Westland“ nicht mehr in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen modernisiert werden kann, vor allem nicht in energetischer Hinsicht, aber auch hinsichtlich den
Anforderungen an zeitgemäßes Wohnen, das ja vor allem auch energetisch schonend möglich sein muss.
Auch der ZOB auf dem Europaplatz verdient eine Neugestaltung, da er von Anfang an weder in funktioneller noch in baulich-ästhetischer Hinsicht wirklich zu überzeugen wusste. Weder sind dort die betrieblichen Abläufe für den Busverkehr an einem zentralen Knotenpunt ideal, noch ist der ZOB für die Nutzer des ÖPNV wirklich optimal gestaltet. Die Orientierung über die Linien und deren Fahrtrichtung war nie anschaulich und einleuchtend genug, und die von den übertrieben wuchtig konstruierten Stahlkonstruktionen überdeckten Haltestellen waren auch nie wirklich ausreichend wettergeschützt.
Beurteilung der vorgesehenen Verkleinerung des ZOB auf dem Europaplatz
Die geplanten „19 Häuser“ sollen so weit in die Fläche des existierenden Europaplatzes hinein ragen, dass sich aus der Sicht von der oberen Hindenburgstraße abwärts in Richtung Eicken linksseitig eine die bestehenden Häuserfluchten fortsetzende durchgehende Fluchtlinie ergibt. Der Europaplatz wird dadurch erheblich verkleinert.
Diese Verkleinerung erzwingt eine teilweise Verlagerung der Bushaltestellen in die angrenzenden Straßenbereiche von Sittardstraße, Humboldtstraße, Goebenstraße und den jeweils angrenzenden Bereichen der Hindenburgstraße um die derzeitige Anzahl an Haltestellen aufrecht erhalten und ggf. später auch noch erweitern zu können. In der RP vom 28.7. wurde über das Gutachten des Planungsbüros Lindschulte berichtet,
das die geplante Verkleinerung beurteilen und dazu ein neues Betriebskonzept für den verkleinerten Europaplatz entwickeln sollte. Das Planungsbüro kommt darin zu dem Schluss, dass auf der zukünftigen Fläche ein ebenso umfangreicher Busverkehr abgewickelt werden kann wie bisher und dass es sogar noch Reserven für einen weiteren Ausbau gibt.
Zudem habe man nachweisen können, dass der Betriebsablauf des zukünftigen ZOB sogar besser zu bewerkstelligen sei als heute.
Die BAUM kritisiert an diesem Gutachten, dass es vom Grundsatz her den falschen Ansatz hat.
Der Auftrag hätte eigentlich lauten müssen, den möglichen Betriebsablauf eines verkleinerten ZOB mit einem ebenfalls optimierten Betriebsablauf auf der unverändert großen Fläche des heutigen Europaplatzes zu vergleichen, der jedoch dann für den motorisierte Individualverkehr gesperrt wäre.
Mit dieser Aufgabenstellung hätte sich mit Sicherheit heraus gestellt, dass es möglich ist, mit einer sinnvollen und durchdachten Neugestaltung des in der Größe unangetasteten Europaplatzes ein noch wesentlich verbessertes Konzept für den ÖPNV auszuarbeiten mit noch deutlich mehr Reserven für die Zukunft, und vor allem einer in stadtökologischer Hinsicht wesentlich verbesserten Gestaltung (dazu weiter unten mehr).
Das Gutachten des Ingenieurbüros ist für uns daher in zweierlei Hinsichten wohlfeil und deshalb wenig aussagekräftig:
- Ist wie schon gesagt der Status Quo in vielerlei Hinsichten weit entfernt von einer idealen Situation, Verbesserungen sollen daher für einen Fachplaner vergleichsweise leicht auszuarbeiten und vorzustellen sein.
2. Kann die Zahl der Haltestellen nur durch die schon erwähnte Ausdehnung der Betriebsabläufe des ZOB in die Nebenstraßen aufrecht erhalten werden. Das macht den ZOB auf dem verkleinerten Europaplatz faktisch zu einem ZOB der weiten Wege, vor allem, wenn bei Blockabfahrten zu Stoßzeiten fast alle oder sogar alle Haltestellen gleichzeitig bedient werden müssen, also auch die peripher liegenden, die man in schwach ausgelasteten Zeiten zunächst nicht einbeziehen muss. Wobei eine wechselnde Zuordnung von Linien zu Haltestellen für die Nutzer eine Unübersichtlichkeit generiert, die ja u.a. am derzeitigen ZOB bemängelt wird.
Wenn in dem Gutachten als Umstiegszeit zwischen den am weitesten voneinander entfernten Haltestellen eine Zeit von 7 Minuten für in der Mobilität eingeschränkte Personen genannt wird, spricht das (in negativer Hinsicht) für sich!
Die Aussage, dass bei einer Verkleinerung des Europaplatzes ein leistungsfähiger ÖPNV möglich bleibt, bzw. der ÖPNV sogar betrieblich besser organisiert werden kann, relativiert sich in Anbetracht der deutlich weiteren Wege zu den dann notwendigen peripheren Haltestellen selber und verflüchtigt sich zu einer nur noch sehr geringen Relevanz.
Die Frage einer komfortablen Integration, ja überhaupt der Integration des Taxiverkehrs auf dem verkleinerten Europaplatz soll an dieser Stelle nur kurz angesprochen werden. Die zu erwartende räumliche Enge scheint für uns jedenfalls der Vorhaltung einer ausreichender Anzahl von Taxi-Stellplätzen wie derzeit möglich entgegen zu stehen und wir sehen auf dem verkleinerten Europaplatz keine sinnvolle und praktikable Integration eines ausreichenden Taxi-Angebots ohne wiederum den Busverkehr zu behindern.
Städtebauliche Bedeutung des Europaplatzes und stadtdökologische Aspekte – Klimawandel
Der Europaplatz darf ohne weiteres als eine Art „Herz“ der Stadt (Alt-)Mönchengladbach bezeichnet werden, nicht nur wegen seiner zentralen Lage, sondern auch wegen seiner im Wortsinn zentralen Bedeutung als verkehrlicher Verknüpfungspunkt zwischen regionalem (Bus) und überregionalen (Schiene) ÖPNV. Das gab solchen Plätzen in der Vergangenheit und vielerorts noch heute eine Art „Visitenkarten-Funktion“
für die betreffenden Städte, boten sie doch den ankommenden Reisenden im besten Fall ein „herzliches Willkommen“. Diese Funktion mag heute nur noch von untergeordneter Bedeutung sein, aber das sollte kein Grund sein, diesen Aspekt nicht weiter zu bedenken. Schon gar nicht, wenn derart eingreifende Veränderungen geplant sind wie jetzt beim Europaplatz.
Die Verknüpfung der Verkehre bedingt nicht nur eine in funktioneller Hinsicht optimale Gestaltung des ÖPNV mit nutzergerechten Erreichbarkeiten und Umstiegszeiten, sondern vor allem auch eine gute Aufenthaltsqualität, schon alleine wegen stets an ÖPNV-Verknüpfungsorten
niemals gänzlich vermeidbarer Wartezeiten.
Der Klimawandel, der heute längst nicht mehr nur eine Prognose oder ein vager bedrohlicher Ausblick auf die Zukunft ist, sondern der sich gegenwärtig schon mit einer beängstigenden Geschwindigkeit vollzieht, an
vielen Orten der Erde schneller und massiver als die Hochrechnungen der Klimawissenschaftler vorausahnen ließen, sollte zwingend zu einer sehr kritischen Bewertung der vorgelegten Planungen führen, und diese detailliert und umfassend darauf prüfen, inwieweit sie unsere Stadt auf die schon zu spürenden und noch absehbar erheblich dramatischeren Auswirkungen des Klimawandels schützen kann, oder ob sie im Gegenteil
sogar geeignet sind, diese noch zu verschlimmern.
In dieser Hinsicht sehen wir von der BAUM die deutlichsten und gravierendsten Mängel der Planungen zu den „19 Häusern“ und dem Europaplatz!
In der modernen und auf die Erfordernisse des Klimawandels eingehenden Stadtplanung ist es Konsens, dass insbesondere die Städte nicht nur mit der weiteren Versiegelung von Flächen aufhören müssen, sondern dass derzeit versiegelte Flächen wo immer möglich wieder entsiegelt und renaturiert werden müssen. Grünflächen, Schneisen, auch begrünte Dachflächen (neben der Nutzung mit PV-Anlagen) sind das Gebot der Stunde! Ebenso die Eindämmung des motorisierten Individualverkehrs und die Stärkung des ÖPNV.
Die Ausdehnung der Bebauung auf den Europaplatz geht daher genau in die falsche Richtung aus stadtökologischer Hinsicht . Vielmehr sollte die Überplanung des Bereiches insgesamt dazu genutzt werden, auf eine Gestaltung hin zu planen, die auf die Anforderungen, die der Klimawandel an die Städte stellt, eine im Rahmen des Möglichen zukunftssichere Antwort gibt, und die allen weiteren notwendigen Anpassungen keine Türen verschließt. Die teilweise Überbauung des Europaplatzes verstellt jedoch wichtige Alternativen für die Zukunft, es sei denn, man nimmt sehenden Auges in Kauf, dass in vielleicht nicht mal 10 Jahren ein Teil der „19 Häuser“ wieder abgerissen wird. Für die derzeit für die Planung Verantwortlichen wäre das alles andere als ein Ruhmesblatt. Es sollte zu denken geben, dass sich der erst im Jahr 2000 so aufwändig umgestaltete
Europaplatz/ZOB als vergleichsweise kurzlebige Fehlplanung darstellt, dem muss keine weitere, noch aufwändigere Fehlplanung folgen. (Man möge sich zudem erinnern, dass die damaligen Planungen wie stets bei derartigen Projekte in höchsten Tönen angepriesen wurden – Skepsis über ähnlich vollmundige Anpreisungen im Rahmen der aktuellen Planungen ist daher ein Gebot allein schon der Vernunft.)
Fazit:
Wir von der BAUM appellieren an Sie als verantwortliche Politiker, die Planungen der „19 Häuser“ in der vorgesehenen Ausdehnung bis weit in den bestehenden Europaplatz hinein zu überdenken und diesen Planungen
in der im aktuellen Bebauungsplan vorgesehenen Größenordnung nicht zuzustimmen.
Halten Sie inne und verplanen und verbauen Sie nicht aufgrund der Begehrlichkeiten von (Groß-)Investoren gerade an diesem so zentralen und bedeutsamen Ort die Zukunftsperspektiven. Mit einigen Häusern weniger
bleibt die Überplanung des „Haus Westland“ immer noch ein attraktives Objekt für Investoren.
Berücksichtigen Sie bitte dabei, dass es in Mönchengladbach vor allem auch an bezahlbarem Wohnraum fehlt. Mit der nötigen Umsicht, Weitsicht und Behutsamkeit muss und kann es gelingen, an dieser Stelle ein vorbildliches Konzept zu realisieren, dass sowohl die sozialen als auch die ökologischen und verkehrlichen Belange in idealer Weise zusammen sieht und zusammen bringt.
Sie stellen die Weichen, jetzt!
Für die BAUM e.V.:
Jürgen Löscher
V.i.S.d.P.:
Jürgen Löscher
Hehn 259a
41069 Mönchengladbach
Mail: juergen.loescher@t-online.de
Ich schließe mich vollkommen der Beurteilung der BAUM an.