Am 24. Mai wurde in Mönchengladbach gemeinsam mit Herrn Oberbürgermeister Norbert Bude das neue Buch von Holger Hintzen über die beiden sehr unterschiedlichen Lebenswege des jüdischen Philosophen Hans Jonas und des KZ-KAPOS Paul Raphaelson vorgestellt.
Ein Jude, der als Handlanger der SS hingerichtet wird;
ein jüdischer Philosoph, der mit der Waffe die Nazis bekämpft – weiter können sich Lebenswege kaum entzweien als die von Paul Raphaelson und Hans Jonas.
Die ungewöhnlichen Schicksale dieser beiden Männer schildert ein eindringlich erzähltes Buch, das soeben im Greven Verlag Köln erschienen ist. Der Autor, Holger Hintzen, stammt wie Jonas und Raphaelson aus Mönchengladbach.
Und dort nahm auch die Geschichte dieses Buches ihren Anfang: Hintzen, seit mehr als 20 Jahren Redakteur der Rheinischen Post, wohnte eine Zeit lang in dem Haus, in dem Paul Raphaelson die ersten Jahre seiner Kindheit verbrachte. Beim Lesen in Hans Jonas‘ „Erinnerungen“ stieß er auf den Namen Raphaelson – und ein dunkles Schicksal: Der Junge, der in diesem Haus aufwuchs, der in diesen Räumen gespielt und vielleicht davon geträumt hat, wie sein Vater ein erfolgreicher Textilfabrikant zu werden, soll als KAPO in einem Konzentrationslager Häftlinge brutal misshandelt haben und wurde später als Kriegsverbrecher hingerichtet.
Fünf Jahre lang hat Hintzen in Theresienstadt und Prag recherchiert, in Archiven in London, Wien, Konstanz, Düsseldorf und Mönchengladbach nach Dokumenten gesucht und dabei nicht nur den Lebenslauf von Paul Raphaelson rekonstruiert. Auch Hans Jonas‘ Biographie nahm er in den Blick, denn diese ist eng mit der Geschichte des hingerichteten Kapos verknüpft. Beinahe gleichzeitig zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Mönchengladbach als Söhne wohlhabender Textilfabrikanten geboren, schien beiden eine sorgenfreie Karriere vorgezeichnet. In den Wirren der Weimarer Republik und unter dem Terror des NS-Regimes nehmen ihre Lebensläufe jedoch andere Bahnen: Hans Jonas emigriert 1933 und kehrt 1945 als Soldat nach Mönchengladbach zurück, um das Schicksal seiner ermordeten Mutter zu erkunden. Auch Paul Raphaelson, von der Gestapo drangsaliert und 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, überlebt den Holocaust. Doch als er in seine Heimatstadt zurückkehrt und dort sogar Ratsherr wird, holt ihn seine Vergangenheit ein: Ehemalige Mithäftlinge beschuldigen ihn, als Gehilfe der SS Mitgefangene in den Tod getrieben zu haben.
Kurz nach Kriegsende treffen sich Jonas und Raphaelson bei einem Mittagessen wieder. Noch vierzig Jahre später wird sich der Philosoph fragen, wie viel er damals zur Verhaftung Raphaelsons beitragen hat. Und bis heute wirft dessen Biographie die Frage auf:
Was darf ein Mensch tun, um in einer Hölle wie dem Holocaust zu überleben?
Holger Hintzen
Paul Raphaelson und Hans Jonas.
Ein jüdischer Kapo und ein bewaffneter Philosoph im Holocaust
368 Seiten
Gebunden mit Schutzumschlag 19,90 Euro
ISBN 978-3-7743-0496-3
Greven Verlag Köln