Stadt ehrt Andenken an Holocaust-Überlebende mit einer Straßenumbenennung

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Der Abschnitt der Blücherstraße zwischen der Kaiserstraße und Regenstraße mit dem Standort der Zentralbibliothek erhält einen neuen Namen:

Die Mehrheit im Rat der Stadt hat sich für die Umbenennung in Hilde-Sherman-Zander- Straße entschieden. Im weiteren Verlauf bleibt der Name Blücherstraße erhalten. Auch die Hausnummern bleiben bestehen.

Den Vorschlag der Verwaltung zur Umbenennung dieses Teilstücks hatte Oberbürgermeister Felix Heinrichs auf eine Bitte des Kulturausschusses eingebracht: „Der Kulturausschuss hat einen Vorschlag erbeten, der dem Andenken an die aus Mönchengladbach stammende Hilde Sherman-Zander, die den Holocaust überlebt hat und mit ihrem Buch „Zwischen Tag und Dunkel“ einen wesentlichen Beitrag zur Erinnerungskultur erbracht hat, gerecht wird. Dazu hat es einen Austausch mit der Politik und der jüdischen Gemeinde gegeben. Außerdem gab es Rücksprachen mit unseren Fachleuten aus dem Fachbereich Geoinformation. Dabei haben wir verschiedene Möglichkeiten betrachtet und Vor-sowie Nachteile gegeneinander abgewogen.“

Ein wesentliches Argument für das Teilstück der Blücherstraße ist, dass dort gegenüber der heutigen Zentralbibliothek die jüdische Synagoge stand: „Dies ist also ein besonderer und damit würdiger Ort, wo wir dem Leitspruch der Erinnerungskultur „Nie wieder ist jetzt!“ mit wirklichem Handeln begegnen. In dieser zentralen Lage bekommen Hilde Sherman-Zander und ihre Geschichte sowie ihr Bericht über das unermessliche Leiden ihrer Familie, das stellvertretend für das Leiden Millionen von jüdischer Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus steht, eine besondere Sichtbarkeit. Die Straßenbenennung ist dabei nur ein Teil. Den Anregungen der Anwohnerschaft folgend, wollen wir auch an weiteren Formen der Erinnerungskultur vor Ort in Verbindung mit der Zentralbibliothek arbeiten.“

Bevor der Vorschlag in die politischen Gremien eingebracht wurde, hatte der Oberbürgermeister diesen auch der Anwohnerschaft vorgestellt. Hier informierte die Verwaltung auch darüber, dass im Falle einer Umbenennung die Umschreibung der Ausweisdokumente in Sonderterminen und gebührenfrei erfolgen könne.

Bei den insgesamt zwei Informationsveranstaltungen gab es dabei kontroverse Diskussionen. „Gerade weil wir wissen, dass eine Umbenennung eine Veränderung bedeutet und auch Aufwand mit sich bringt, bieten wir hier jede für uns mögliche Unterstützung an. Wir haben im Anschluss noch einmal alle Argumente abgewogen und uns auch mit den Hinterbliebenen von Hilde Sherman-Zander abgestimmt. Zusammen setzen wir hier auch ein wichtiges Zeichen gegen das Vergessen und dafür, dass wir in Zeiten, in denen unsere demokratischen Werte ins Wanken geraten, umso mehr für sie einstehen“, ergänzt Heinrichs.

Hintergrundinformationen zu Hilde Sherman-Zander (22.3.1923 in Wanlo – 11.3.2011 in Jerusalem) Hildegard Zander verh. Sherman war die Tochter von Albert Zander und Paula Wiesenfelder, sie wurde in Wanlo geboren. Später verzogen die Eltern mit ihrer Tochter Hilde in das benachbarte Wickrathberg, Berger Dorfstraße 27. Im Dezember 1941 erhielt ihr Verlobter Kurt Winter den Deportationsbefehl in das Ghetto Riga. Um mit ihm zusammenbleiben zu können, meldete sie sich freiwillig. Sie heirateten noch kurz vor der Abfahrt am 6. Dezember 1941.

Das Ehepaar wurde vier Tage später am 10. Dezember 1941 vom Schlacht- und Viehhof Düsseldorf im Düsseldorfer Stadtteil Derendorf in einem Eisenbahntransport nach Lettland in das Ghetto Riga verschleppt. Kurt Winter verstarb am 27. April 1942 in Riga. Sie überlebte als Einzige ihrer Familie den Holocaust.

Oktober 1944 wurde sie mit anderen Häftlingen mit einem Schiff nach Libau und von dort am 19. Februar 1945 nach Hamburg deportiert. Hier wurde die Gruppe in das Konzentrationslager Fuhlsbüttel, das sich im Gefängnis Fuhlsbüttel befand, überführt. Am 14. April wurden die Häftlinge von der SS auf einen Todesmarsch nach Kiel getrieben, wo sie am 17. April im Arbeitserziehungslager Nordmark in Kiel-Hassee ankamen. Am 1. Mai 1945 gehörte Hilde Sherman zu einer Gruppe, die von Dänen mit LKWs, die das Rot-Kreuz Zeichen aufwiesen, aus dem Lager geholt und nach Kopenhagen gebracht wurde. Es war die von dem schwedischen Grafen Folke Bernadotte durchgeführte Rettungsaktion der Weißen Busse.

Sie emigrierte am 27. November 1945 nach Cali Kolumbien. Im Ghetto von Riga hatte sie den lettischen Juden Willy Sherman kennengelernt. Er hatte gleichfalls überlebt. Nach Jahren gelang ihm die Einreise nach Kolumbien, wo er Hilde heiratete. Später zog die Familie nach Bogotá. Das Ehepaar bekam zwei Töchter.

In den 1970er Jahren kam Hilde Sherman zweimal nach Deutschland, um in Hamburg als Zeugin in Strafprozessen auszusagen, hierbei besuchte sie auch Mönchengladbach. 1982 veröffentlichte sie ihr Buch in Kolumbien. Die deutsche Version „Zwischen Tag und Dunkel. Mädchenjahre im Ghetto“ erschien 1984 im Ullstein-Verlag.

1989 gehörte Hilde Sherman-Zander zu den ehemaligen jüdischen Bürgern, die die Stadt Mönchengladbach zu einer Begegnungswoche eingeladen hatte. Danach folgten noch zwei weitere Besuche – zuletzt von Jerusalem aus, wohin sie 1995 nach 50 Jahren in Kolumbien gezogen war.

Quellen:

StA MG 14/8020 Erckens, Juden in Mönchengladbach, Mönchengladbach, 1989.
https://www.yadvashem.org/de/education/newsletter/2/hilde-sherman.html  abgerufen am 28.08.2024, abgerufen am 28.08.2024.

Sherman-Zander, Zwischen Tag und Dunkel. Mädchenjahre im Ghetto“, Frankfurt am Main /Berlin / Wien 1984.
https://www.moenchengladbach.de/fileadmin/user_upload/Stadtarchiv-Stadtgeschichte/Stolpersteine/Berger_Dorfstra%C3%9Fe_27.pdf , abgerufen am 28.08.2024.

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