Ein Erzbischof als Glücksfall

pendeluhr

Der Erzbischof bat mich zum Gespräch. Er nahm sich Zeit und erwies sich als Autorität, als angenehmer Gesprächspartner. Er war kein Freund langatmiger Diskussionen. Salbungsvolles Geschwätz war nicht zu befürchten. Kein oberhirtliches Allmachtgebaren, kein Besser- oder Alleswissen. Der Erzbischof ließ sich auf meine konkrete Situation ein.

Seinen Priestern wolle er Freude am Glauben vermitteln und die Erfahrung, dass „glauben können“ ein wichtiger Begleiter durch das Leben sein könne, versicherte er mir. Sein Lebensstil, seine Aufrichtigkeit überzeugten mich. Von etwaigen Vorrechten der Mächtigen machte er keinen Gebrauch.

Er bedauerte, mir im Augenblick die Missio Canonica entziehen zu müssen. Das bedeute nicht, dass dies auch für Schulen in anderen Bistümern gelte. Er legte mir nahe, nach geraumer Zeit beim Nachbarbischof in der Angelegenheit vorzusprechen – eine aufmunternde Geste, indirektes bischöfliches Empfehlungsschreiben für konstruktive Nachverhandlungen.

Der Erzbischof war nicht Erfüllungsgehilfe römischer Behörden. Ihn lähmte kein Ungeist der Bevormundung. Dank seiner lautlosen Vermittlung war ein Kap der guten Hoffnung in Sicht und ein Ergebnis, mit dem beide Seiten leben konnten. Der Bischof als Türöffner, als Eisbrecher, der den priesterlichen Mitbruder in vertrautem Fahrwasser belassen wollte.

Vorübergehend nahm ich im Wartezimmer Platz. Nachteile entstanden mir nicht. Ich würde mich nicht irgendwo im Kiesbett wiederfinden.

Ein paar Wochen später wandte ich mich an den  Bischof der Nachbar-Diözese: „Meinen Dienst in der Schule möchte ich auch in Zukunft als Dienst betrachten, der geprägt wurde in den Jahren, in denen ich priesterlich in der Glaubensverkündigung tätig war.“

Der Schulleiter der Schule unterstützte mein Anliegen wohlwollend und gewährte Rückendeckung. Er gab dem Bischof zu bedenken, „dass bei länger anhaltender Tätigkeit und Gewöhnung an andere Fächer ein wertvoller Religionslehrer seinem eigentlichen Fach verloren gehen kann.“

Wahrscheinlich wusste er, wovon er sprach. Je weiter man sich von etwas entfernt, desto größer wird die innere Distanz dazu. Die Schule legte Wert auf meine „Weiterverwendung“. Sie wollte keine Apathie bei mir entstehen lassen. Schule und ich hatten gleiche Interessen.

Der Bischof zeigte sich nicht überrascht. Sein Generalvikar erteilte mir „mit besten Segenswünschen“ die kirchliche Unterrichtserlaubnis für den katholischen Religionsunterricht – nicht nur für sein Bistum, sondern auch für jenes, aus dem ich übergesiedelt war. „Die Missio gilt in den genannten Bistümern. Wenn Sie in einem der Bistümer eine Lehrtätigkeit aufnehmen wollen, legen Sie bitte dem dortigen Bischof diese Urkunde vor.“

Ich hätte die Rückreise antreten können, forderte aber das Schicksal nicht heraus. Es gibt wundersame Wege, die man gehen kann. Aber es muss jemand sie ebnen.

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