Dispens aus Rom

pendeluhr

Der Sakristan schrieb wieder. Mit ihm eigenen Worten äußerte er seine Wertschätzung. „Wat mäht dä Kaplon noch?“ werde er gefragt. „Hatt’r nicks mieh van däm jehoht? Schaat, dä kunnt jot prädije, dä wor nit zebang jett ze sage. Un met de Jugend hatt’et ärch.“ Die damit ausgesprochene Sorge, dass man nichts mehr von mir höre und dass man sich lobend über mein gutes Verhältnis zu den Jugendlichen in der Pfarre äußerte, tat mir gut.

Er bedauere meinen Schritt, aber respektiere ihn. Dann fragte er, ob das Gewissen, auf das ich mich bei meiner Entscheidung berief, letzte Instanz sein dürfe. Ob sich das Gewissen nicht irren könne. Ein Gewissen könne Selbsttäuschungen erliegen, so dass man sich vor ihm auch fürchten könne.

Er wies mich auf einen anderen Weg hin: „Wäre es nicht besser für Sie, in einen Orden einzutreten?“ Ich schätzte den Küster. Was er sagte, davon war er überzeugt. Mit ihm über seine Anregung zu diskutieren, konnte er nicht erwarten.

Einen weiteren Brief erhielt ich von ihm „in Treue und Verbundenheit“. Er denke oft an mich, begann er. „Im Geiste sehe ich Sie noch hier am Altar, auf der Kanzel und bei der Sakramenten-Spendung. Ihre Predigten endeten oft mit den Worten „Ein Leben lang“. Daher meine Bitte: Trennen Sie sich nicht von der Kirche. Sie werden mich verstehen, wie ich für Sie Verständnis habe.“

Gesprächen habe er entnommen, in absehbarer Zukunft werde die Zulassung für Verheiratete zum Priestertum möglich. Dabei könne die Gattin dem Priester eine wertvolle Stütze sein.

Der Küster bezog sich auf eine Generalversammlung der Bischofssynode, die Papst Paul VI. einberufen hatte. Es durfte auch über den Zölibat diskutiert werden, was sechs Jahre zuvor untersagt worden war.

Einige Bischöfe verlangten die Zulassung verheirateter Männer zum Priestertum. Die Römische Kurie schien bereit zu sein, in Ländern mit großem Priestermangel in einem ersten Schritt verheiratete Priester zur Weihe zuzulassen.

Bald stellte sich jedoch heraus, dass es sich nicht um einen Hoffnungsschimmer, sondern um eine Fata Morgana handelte.

Zeitgleich mit dem Brief des Sakristans erreichten mich   „herzliche Grüße“ des Erzbischofs, verbunden mit der Nachricht: „Inzwischen ist der Dispens aus Rom eingetroffen. Ich habe den Herrn Generalvikar gebeten, Sie zu verständigen.“

Mein Ausscheiden aus dem priesterlichen Dienst schien doch noch harmonisch zu verlaufen. Der Sakristan beglückwünschte mich als Erster. Gute Wünsche erhielt ich auch vom Schulkollegium: „Kolleginnen und Kollegen wünschen Ihnen Glück, Segen und Phantasie zum Leben, damit Sie Geschmack am Leben finden.“.  Eine Bildkarte mit Pablo Picassos „Liebespaar“ enthielt die Mahnung „stets in Geduld zu verharren“. Darin waren meine künftige Frau und ich geübt.

0 - 0

Thank You For Your Vote!

Sorry You have Already Voted!