Der Geräterundgang

Liebe Leser der “Pendeluhr“, es ist an der Zeit sich von ihr zu verabschieden.

Da die Leseecke ihren Liebhaberkreis gefunden hatte, nun eine sicherlich erfreuliche Nachricht:
“Pendeluhr“ ade, herzlich willkommen „Esel haben keine Lobby“.
Der Autor Peter Josef Dickers mit seinen tiefsinnigen Gedanken und seinem speziellen Humor bleibt uns und Ihnen unter dem neuen Titel an gleicher Stelle dankenswerter Weise erhalten.
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Gute Unterhaltung mit: “Esel haben keine Lobby“.
Wer das Buch “Esel haben keine Lobby“ zum Preis von 12 Euro käuflich erwerben möchte, meldet sich gerne bei MG-heute unter der E-Mail Adresse: harald.wendler@mg-heute.de

Der Geräterundgang

Mein Arzt versteht mich. Wenn mir der Kopf brummt und ich kaum noch geradeaus sehen kann, weiß er mir zu helfen. Es geht Ihnen nicht gut, höre ich ihn sagen. Er versteht mich, ohne viele Worte zu machen. Ich verstehe ihn, ohne viele Fragen zu stellen.

Neulich war es anders. Mein Arzt hatte mich zu einem Kollegen geschickt, der noch besser wusste, was zu tun war, wenn es mir nicht gut ging. Der äußerte Bedenken. Es gehe mir überhaupt nicht gut. Wie lange der Zustand schon andauere, wollte er wissen. Sein Diktiergerät war aufnahmebereit und erwartete eine Zeitangabe. Eine Woche, zwei Wochen oder länger? Ich wusste es nicht. Ziemlich lange, erinnerte ich mich. Ziemlich lange, wiederholte das Diktiergerät. Meine Körpergröße und mein Gewicht wollte das Gerät wissen. Warum mein Kopf brummte, wollte es nicht wissen. Vielleicht hing das mit meiner Körpergröße zusammen. Die hatte sich während der zurückliegenden fünfzig Jahre nicht wesentlich verändert. Aber das Diktiergerät wollte sich einen grundlegenden Eindruck verschaffen.

Der Kollege fragte und fragte. Ich versuchte mich zu erinnern. Irgendwann wurde das Gerät abgelöst von anderen Geräten. Moderne Arztpraxen erkennt man an den Geräten. Von Raum zu Raum wanderte ich. Medizinische Technik dient dem Patienten. Der Patient dient der medizinischen Technik. Das Gute an der Technik ist, dass man nicht reden muss. Sie stellt keine Fragen. Ich muss  nicht antworten. Wahrscheinlich erkannten die Geräte, wie es um mich stand. Dass sie es mir nicht mitteilten, lag daran, dass sie nicht sprachen oder ich ihre Sprache nicht verstand.

Ihr Wissen gaben sie an das Diktiergerät weiter. Dieses vertraute es dem Kollegen an. Als ich den Geräterundgang beendet hatte, war ich überrascht. Der Kollege war über meinen Gesundheits- bzw. Krankheitszustand informiert. Ich bräuchte eine intensive Behandlung, sagte er. Er habe Anweisung gegeben, wie zu verfahren sei. Er sehe sich bestätigt. Es sei, wie er vermutet habe. Ich fragte nicht, was er vermutet hatte. Er wollte mich nicht mit seinem Fachwissen überfordern. Problemorientierte Fragestellungen erübrigten sich. Meine Alltagssprache ist nur begrenzt kompatibel mit der Sprache von Geräteparametern oder ärztlichen Krankheitsbefunden.

Das Rezept listete auf, welche Medikamente ich wann, wie oft einnehmen sollte.  Mein Kopf brummte immer noch, aber ich wusste jetzt, dass es an dem lag, was der Kollege vermutet hatte. Man muss nicht viele Worte machen, wenn nonverbale Blicke genügen.

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