Fronleichnam – nicht nur perfekter Brückentag für ein verlängertes Wochenende

Fronleichnam. In mehreren Bundesländern ein gesetzlicher Feiertag. Hochfest im Kirchenjahr der Katholischen Kirche. Die bleibende Gegenwart Jesu im Sakrament der Eucharistie wird gefeiert. Der Begriff ist den mittelhochdeutschen Worten „fron“ (Herr) und „lichnam“ (Leib) entlehnt: „Fest des Leibes Christi“.

Prozessionen verliehen dem Fest im Laufe der Geschichte einen besonderen Charakter. Nach und nach wurden sie zur Glaubens-Demonstration: Fahnen und Weihrauch, Honoratioren und Erstkommunion-Kinder, Frauen und Männer, Bruderschaften und Vereine zogen betend und singend durch geschmückte Straßen. Sie begleiteten die Monstranz mit der Hostie, das „Allerheiligste“. Gelebtes Christentum sollte deutlich werden.

In Köln-Mülheim geschieht das seit siebenhundert Jahren auf dem Rhein: Die Schiffsprozession zur „Mülheimer Gottestracht“ besteht aus einer Flotte von Rheinschiffen, die im Konvoi entlang der Stadtgrenze des ehemals selbständigen Rheinschiffer-Dorfes Mülheim fahren.

Für Martin Luther war Fronleichnam das „schädlichste Jahresfest“; die Prozessionen verurteilte er als „Gotteslästerung“. Auf die Zeit der Reformatoren im 15. und 16. Jahrhundert geht der „Abendmahls-Streit“ zurück: Nach katholischer Auffassung  ist, biblisch begründet,  im Sakrament der Eucharistie der Leib und das Blut Jesu Christi enthalten. Die Reformatoren verstehen die Feier des Abendmahls nur als „Gedächtnis“ an das Letzte Abendmahl Jesu.

Fronleichnam heute noch feiern?

Sind Glaubens-Demonstrationen zeitgemäß in einer säkularisierten, „verweltlichten“ Gegenwart?

Sind öffentliche Glaubensbekundungen ehrliche Zeugnisse in einer Zeit leerer Kirchenbänke trotz lauter Glocken? Passen sie zu einer Kirche, welche  wie die Isolde in Richard Wagners Musik-Drama „ihren Tristan verloren hat“?

Ignorieren öffentlich betende Katholiken die Durchblutungsstörungen und die Material-Ermüdung ihres ausgelaugt wirkenden Christentums?

Wollen sich Prozessionsteilnehmer nicht eingestehen, dass sie im alltäglichen Leben mehr oder weniger auf Distanz zu Glaube und Kirche gehen, da sie oft weder Halt noch Hoffnung finden und sich nicht getröstet, sondern vertröstet fühlen?

Fronleichnam heute noch feiern? Ich meine: „Ja“.

„Demonstration“ ist nach Artikel 8 des Grundgesetzes „eine in der Öffentlichkeit stattfindende Versammlung mehrerer Personen zum Zwecke der Meinungsäußerung.“ Dieses Recht wird rege wahrgenommen. Man demonstriert gegen eine Urheberrechtsreform, gegen Mietenwahnsinn und Rassismus. Landwirte opponieren gegen strengere Dünge-Vorschriften. Der „Christopher Street Day“ ist Demonstration für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgendern; in Berlin zählt er zu den größten Straßenumzügen.

Warum soll man dann nicht auch für „Glaubensüberzeugungen“ auf die Straße gehen?

Ehrlicher wäre eine katholische Fronleichnam-Bekenntnis-Veranstaltung allerdings, wenn sich darin ein gemeinsames Eucharistie- und Abendmahl-Verständnis der großen christlichen Kirchen widerspiegeln würde.  „Wo ein Wille, da ein Weg.“ Solange Kirchen-Oberhäupter ihre Kirche jedoch als Museum mit lebenden, aber erstarrten Figuren verwalten, die haarspalterische Verwirrspiele inszenieren, ist daran nicht zu denken.

Dann kann man jene verstehen, die ohne Gott und ohne Kirche auskommen und mehr Zeit für Fitnesscenter und Frühschoppen haben. Dann ist Fronleichnam wirklich der perfekte Brückentag für ein verlängertes Wochenende. Vielleicht setzen sich aber  jene durch, die „umwoelkten“, oberhirtlichen Bedenkenträgern klarmachen: „Geht nicht, gibt’s nicht.“

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2 Kommentare zu "Fronleichnam – nicht nur perfekter Brückentag für ein verlängertes Wochenende"

  1. Peter Josef Dickers | 20. Juni 2019 um 13:57 |

    Es ist positiv, dass es „aussterbende Grüppchen“ gibt, die sich zu dem bekennen, was ihnen etwas bedeutet. Es ist positiv, dass diese Internet-Plattform es ermöglicht, über persönliche, religiöse, gesellschaftliche Grenzen hinweg eine solche Thematik aufzugreifen.

    Es widerspricht zweifellos dem Sinn kirchlicher und auch staatlicher Feiertage, sie zu instrumentalisieren für Bedürfnisse, die nichts mit dem Ursprung und Sinn dieser Tage zu tun haben. Sie deswegen abzuschaffen, würde uns wahrscheinlich nicht weiterhelfen. Vielen Menschen bieten sie Zeit und Gelegenheit zum Durchatmen in der Betriebsamkeit ihres Alltags. Einige werden dabei ihrer persönlichen und religiösen Sinn-Suche ein Stück näher kommen.

    Als katholischer Christ bewundere ich den z. Zt. wieder stattfindenden Evangelischen Kirchentag. Es versammeln sich dort nicht nur „Gläubige“. Auch die Zweifler, die ein bisschen Heilige oder gar nicht heiligmäßig Lebende treffen sich zu gemeinsamen Aktionen, manchmal vielleicht auch zu Gottesdienst und Gebet.

    „Lasst alles wachsen bis zur Ernte“ – ein bekannter biblischer Spruch. Mir fällt es manchmal schwer, das zu akzeptieren. Aber eigenmächtig Bilanz zu ziehen oder zu entscheiden, wer sich „rechtens“ oder „angemessen“ verhält, steht mir vermutlich nicht zu.

    Daher mein Wunsch für Sie: Halten Sie es aus, Herr Steeger, sich zur seltsamen Minderheit einer sterbenden Zunft zugehörig zu fühlen. Ihnen wird das guttun.

  2. Carlos Steeger | 20. Juni 2019 um 11:59 |

    Für seinen Glauben zu demonstrieren ist jedermann unbenommen. Es passt schon ganz gut, der Kirchentag, wenn auch evangelisch. Uns eint derselbe göttliche Glaube. Gut auch, auch 2019 Worte zu diesem Feiertag zu finden. Fronleichnam feiern? Wer das in der traditionellen Form tun möchte, findet Gelegenheit dazu. Diejenigen, denen dieser Tag noch etwas bedeutet, sind ein aussterbendes Grüppchen, ich gehöre selber dazu. Kirche wird durch die Beibehaltung althergebrachter Bräuche nichts retten. Immer wieder gibt es vor div. Feiertagen Umfragen in der Bevölkerung. Zunehmend wissen Menschen nicht mehr worum es eigentlich geht, was das jeweilige Fest bedeutet. So sieht das leider aus. Fronleichnam heute noch feiern? Wissen? Interesse? Wenn Feiertage strategisch günstig in der Urlaubsplanung Platz finden und in erster Linie dazu herhalten, diesen möglichst auszudehnen, dann gehören diese Tage ersatzlos weg. Sie haben ihre Wurzeln in der Religion und nicht in den Bergen, am Strand, oder einer Bierbörse. Für mich ist das Missbrauch dieser Tage. Wenn ein Volk mit Spiritualität nichts mehr anfangen kann und will, dann soll es an diesen geliebten Brückentagen arbeiten. Das ist nur konsequent.

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