Studie „Junco“ zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf Jugendliche im dt.-nl. Grenzgebiet veröffentlicht

Zusammenfassung

Die Lern- und Bildungsakademie Mönchengladbach hat gemeinsam mit der Maastricht University, der Zürcher Hochschule für augewandte Wissenschaften (ZHAW) und dem Schweizer Institut für Gewaltfragen (SifG) ihre neueste Studie zu den Folgen der Corona-Krise auf Jugendliche und junge Erwachsene im deutsch-niederländischen Grenzgebiet veröffentlicht.

Im deutschsprachigen Teil der Euregio Rhein-Maas-Nord wurde im Herbst 2020 im Rahmen des Projekts JUNCO (Jugendliche und die Coronazeit) eine Befragung unter mehr als 1.200 10- bis 25-Jährigen Schülerinnen verschiedener Schulformen durchgeführt.

Einbezogen wurden Schulen im Kreis Kleve, Kreis Viersen, Rhein-Kreis Neuss, Kreis Heinsberg, Krefeld und Mönchengladbach.
Die Befragung erlaubt einen wichtigen Einblick in die Situation der Jugendlichen im deutschsprachigen Teil des Grenzgebietes.
Nachfolgend werden die wichtigsten Befunde der Studie vorgestellt. Die Maßnahmen, die zur Eindämmung des Virus politisch beschlossen wurden, werden nur von einer knappen Mehrheit der Jugendlichen als gut befunden – junge Menschen sind also durchaus kritisch bzgl. der politischen Entscheidungen eingestellt. Dies schlägt sich aber nicht unbedingt in ihrem Verhalten nieder, da sich die große Mehrheit der jungen Menschen an die Verhaltensvorschriften hält – 97,5 Prozent haben bspw. oft oder immer Masken getragen, wenn es gefordert war.

Eine spezifische und besonders drastische Maßnahme war der Lockdown im Frühjahr 2020. Dieser stellt für die jungen Menschen noch immer eine Belastung dar, insofern sich für jeden zehnten Befragten Hinweise auf eine Anpassungsstörung ergeben (z.B. «Seit der Zeit kann ich nicht mehr richtig schlafen»).
Die Langzeitfolgen der Pandemie- Maßnahmen für junge Menschen sollten daher unbedingt beachtet werden; ein erhöhter Therapiebedarf ist erwartbar, der mit niedrigschwelligen Angeboten zu adressieren ist. Die Auswirkungen der Pandemie auf die Jugendlichen zeigt sich auch dahingehend, dass der Zukunftsoptimismus schwindet: In der Befragung gaben nur 39,5 Prozent der Schülerinnen an, eher zuversichtlich in die eigene Zukunft zu blicken, in der Shell-Jugendstudie 2019, in der deutschlandweit eine vergleichbare Altersgruppe befragt wurde, waren es 58 Prozent.

Weitere Befunde stützen diese Diagnose: Eine Mehrheit der Jugendlichen (58,6 Prozent) weist ein niedriges
allgemeines Wohlbefinden auf, nur eine Minderheit der Jugendlichen äußert sich (sehr) zufrieden
mit dem Leben insgesamt.
Mit Blick auf die familiären Beziehungen belegt die Studie, dass die Pandemie das Zusammenleben in der Familie anscheinend weniger stark beeinflusst hat. Befürchtungen bzgl. eines Anstiegs äuslicher Gewalt lassen sich – zumindest in der deutschen Grenzregion – mit den Daten nicht pauschal bestätigen. Weder die physische Gewalt zwischen Eltern und Kindern noch die physische Gewalt zwischen Elternteilen hat zugenommen. Allerdings findet sich ein Anstieg der elterlichen Streitigkeiten.

Aufgrund der Maßnahmen, die zur Eindämmung des Corona-Virus umgesetzt wurden, haben sich die Freizeitaktivitäten der jungen Menschen verändert.
So wird bspw. weniger Freizeit gemeinsam mit Freundinnen unternommen; dies ist für junge Menschen einschneidend, weil die Gleichaltrigen in dieser Lebensphase von besonders hoher Bedeutung sind.
Zudem hat sich die Zeit für das Sporttreiben deutlich reduziert; hieraus könnte zukünftig ein gesundheitliches Problem erwachsen, wenn sich junge Menschen weniger körperlich betätigen können.
In Besonderem Maße gestiegen sind hingegen die Medienaktivitäten: Die Dauer, die mit sozialen Medien, Computerspielen oder Fernsehen zugebracht wird, hat sich im Vergleich zurzeit vor Corona um 100 Minuten erhöht. Insofern eine lange Medienkonsumdauer einen Risikofaktor für Internet- und Computerspielabhängigkeit darstellt, kann angenommen werden, dass entsprechende Störungsbilder im Jugendalter kurzfristig zunehmen werden.

Hinsichtlich verschiedener Verhaltensweisen gibt die Studie zugleich Entwarnung: der Alkoholund Drogenkonsum hat sich durch die Pandemie nicht verstärkt, ebenso wenig das Cyberbullying oder andere aggressive Verhaltensweisen.

Ein Schwerpunkt der Befragung wurde zuletzt daraufgelegt, die Einschätzungen der Schülerinnen bzgl. des Grenzgebiets abzufragen. Die Ergebnisse zeigen, dass eine ausgeprägte Vernetzung zwischen dem deutschen und den niederländischen Teil der Grenzregion besteht, da etwa jeder achte befragte Jugendliche persönliche Beziehungen (in der Familie und/oder im Freundeskreis) zu Menschen im niederländischen Teil des Grenzgebietes unterhält. Die Pandemie hat aber auch hier zur Folge, dass grenzüberschreitende Kontakte zu Familienmitgliedern und Freund*innen
reduziert werden.
Zwei von fünf Befragten berichteten, dass es vor der Pandemie eine höhere Kontakthäufigkeit gab. Zudem kann anhand der Auswertungen geschätzt werden, dass 17,8 Prozent der Befragten Vorurteile gegenüber den Menschen aus dem niederländischen Teil des Grenzgebietes haben; dieser Anteil lag dabei vor der Pandemie niedriger, sodass davon auszugehen ist, dass die Pandemie und die zur Eingrenzung des Corona-Virus getroffenen Maßnahmen die
länderübergreifenden Beziehungen zwischen den Menschen verschlechtert haben. Hier ist zu folgern, dass sobald dies wieder möglich ist, Anlässe des gegenseitigen Kennenlernens und Kontakts geschaffen werden sollten, um gegenseitige Vorurteile abzubauen.

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