Freude macht mir mein Hund

Der Mönchengladbacher Autor, Peter Josef Dickers; Foto: Günter Pfützenreuter

Ich bin ohne festen Wohnsitz, weil ich als Hirte immer bei der Herde bleibe und sie woanders hinführe, wenn die Tiere das Gras abgeweidet haben. Selbst nachts kann ich meine Tiere nicht allein lassen, weil ich sie vor Räubern oder Raubtieren schützen muss. Einen großen Stock habe ich, um mich wehren zu können. Oft reicht er nicht aus, und ich bin machtlos. Ein paar Schafe und Ziegen gehören mir.

Neulich ist mir ein Esel zugelaufen; er lahmte und sah ziemlich verkommen aus. Sein Herr wollte ihn wahrscheinlich loswerden, weil er zu alt für ihn war. Das Tier tat mir leid, daher habe ich es aufgenommen. Jetzt läuft mir der Esel nach, als sei er immer bei mir gewesen.

Nomaden nennt man uns, nicht Sesshafte – Leute, die immer auf Achse sind und auf die man sich angeblich nicht verlassen kann. Ein wenig korrupt sollen wir sein, da wir uns anders als andere Menschen verhalten. Keiner traut uns über den Weg. Keiner will wirklich etwas mit uns zu tun haben.

Neulich war es anders. Mitten in der Nacht wurde ich wach, da ich meinte, Diebe wollten über meine Tiere herfallen. Ich glaubte zu träumen, weil ich eine Stimme hörte: „Ich verkünde Euch eine große Freude.“ So etwas hatte uns noch niemand gesagt. Worüber sollen wir uns freuen? Dass man auf Leute, die ohne festen Wohnsitz sind, mit dem Finger zeigt? Dass viele uns nicht in ihrer Nähe haben wollen und uns behandeln, als hätten wir eine ansteckende Krankheit? „Ich verkünde Euch große Freude.“ Dass ich nicht lache. Benachteiligt werden wir. An den Rand werden wir gedrückt. Der Einzige, der mir Freude macht, ist mein Hund. Er hilft mir, meine Tiere zusammenzuhalten. Er wittert Gefahren. Er leistet mir Gesellschaft. Er ist mein Freund.

Aber ich hatte richtig gehört. Ich sollte mich freuen. Verstanden habe ich das anfangs nicht. Aber ich bin den anderen hinterher gelaufen. Sie hatten es auch gehört und waren losgegangen. An meine Tiere habe ich vor Aufregung nicht gedacht. Später fiel mir ein, dass sich mein Hund um sie kümmern werde. Einfach losgerannt bin ich. Alles habe ich stehen und liegen lassen, weil mir jemand eine Freude machen wollte. Sehr oft kommt das in meinem Leben nicht vor.

Verstehen kann ich das bis heute nicht. Es konnte sein, dass ich wieder enttäuscht wurde wie so oft in der Vergangenheit. Aber vielleicht war es diesmal anders. Auf etwas freuen sollte ich mich. Nicht mein Hund war gemeint, sondern ich. Ich konnte mich nicht erinnern, wann das zuletzt der Fall gewesen war.

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