Strukturwandel im Rheinischen Revier: Wirtschaft, Umwelt und Soziales endlich zusammen denken

Ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Akteure fordert eine Neujustierung des Strukturwandelprozesses im Braunkohlenrevier.
Vertreter*innen des Bündnisses stellten heute in Düsseldorf einen „10-Punkte-Plan für einen klimagerechten und naturverträglichen Wandel im Rheinischen Revier“ vor. Darin fordern sie eine Abkehr von der vorrangig auf allein wirtschaftliche Belange ausgerichteten Strukturwandelpolitik. Den Herausforderungen der Klima- und Biodiversitätskrise könnte nur durch die konsequente sozial-ökologische Transformation begegnet werden, ein „Weiter-so-wie-bisher“ dürfe es nicht geben. Gleichzeitig forderte das Bündnis eine stärkere Berücksichtigung von Initiativen und Ideen aus der Zivilgesellschaft. Zu dem Bündnis gehören u.a. die Landesverbände des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie des Naturschutzbund Deutschland (NABU), die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) das Eine Welt Netz NRW, die Klima-Allianz Deutschland und verschiedene kirchliche Gruppen.

Dr. Heide Naderer, Landesvorsitzende des NABU:
„Diverse Akteure des Strukturwandel-Prozesses vermitteln mit ihren Forderungen für ein Weiter-So der rein ökonomischen Priorisierung den Eindruck, als lebten wir nicht inmitten der Klima- und Biodiversitätskrise. Der Strukturwandelprozess muss sich am 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens und an dem kürzlich festgelegten 30 Prozent-Schutzgebietsziel des internationalen Vertragsabkommens für Biodiversität aus Montréal orientieren. Deshalb muss die Bezirksregierung Köln jetzt in den vorgezogenen Planungen zwingend Flächen für den Biodiversitätsschutz festschreiben.  Nur so kann der ganze Prozess den Zielen überhaupt gerecht werden.“

Mit der Sonderplanungszone Rheinisches Revier drohten bewährte Umwelt- und Beteiligungsstandards zugunsten beschleunigter Genehmigungsverfahren ausgehebelt zu werden, so die Kritik. Gleichzeitig werde der Druck auf den Freiraum zur Schaffung neuer Industrie- und Gewerbeflächen zusätzlich erhöht. Auch die Energiewende komme nicht richtig in Schwung.

Dirk Jansen, NRW-Geschäftsleiter des BUND:
„Die Auseinandersetzung um Lützerath zeigt, wie schwer Nordrhein-Westfalen der notwendige Ausstieg aus der Braunkohlengewinnung fällt. Anstatt der Braunkohle ein goldenes Ende zu bescheren und neue fossile Gaskraftwerke zu planen, muss die Region endlich konsequent umsteuern. Der unverbindliche Gigawatt-Pakt zum Ausbau erneuerbarer Energien wird diesem Anspruch nicht gerecht. Klimaschutz durch erneuerbare Energien und Klimawandelanpassung durch die Schaffung eines Biotopverbundsystems zur ökologischen Revitalisierung der Region müssen endlich zusammen gedacht werden. Dabei müssen Bürgerenergieprojekte priorisiert und finanziell unterstützt werden.“

Der Klimawandel und der ungebremste Flächenverlust und damit zusammenhängend die Zerstörung von natürlichen, auch landschaftsprägenden Lebensräumen erfordern nach Auffassung der zivilgesellschaftlichen Akteure auch dringend Anpassungen in der Landwirtschaft im Rheinischen Revier.

Bernd Schmitz, Vorsitzender Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) NRW:
„Der Schutz, der besonders klimaresilienten Böden im Rheinischen Revier ist die wichtigste Maßnahme, um die regionale Ernährungssouveränität für die Region mit den direkt angrenzenden Ballungsräumen sicher zu stellen. In der Weiterentwicklung des Wirtschaftsraumes RR wird dagegen die großflächige Versiegelung mit Geldern aus dem Kohleausstiegsgesetz geplant. Für Gebietsplaner ist wertvoller Ackerboden nur Freifläche, für die Menschen der Region aber in unserer krisengeschüttelten Zeit die Grundlage für regionale Lebensmittelproduktion. Alle bisher versiegelten Flächen, wie die nun verbleibender Dörfer am Tagebau Garzweiler sowie brachliegende, ehemalige Gewerbegebiete müssen zuerst in die weitere Bebauungsplanung einfließen. Da auch die bestehende Industrie die Äcker als Rohstoffquelle nutzen will, darf kein Stück Acker mehr zerstört werden.“

Diözesanrat der Katholik*innen im Bistum Aachen zum 10-Punkte-Plan:

„Die Zukunft des Rheinischen Reviers muss nachhaltig, dezentral und demokratisch sein. Ein „Weiter so“ mit klassischen industriellen Konzepten führt hingegen in die Sackgasse.
Quintessenz eines 10-Punkte-Plans, den kirchliche Initiativen zusammen mit weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren entwickelt haben.
Mitgeschrieben und mitunterzeichnet hat der Diözesanrat der Katholik*innen im Bistum Aachen. Er engagiert sich schon lange in der Auseinandersetzung um das Ende der Braunkohle im Rheinischen Revier. Was kommt danach? Diese Zukunftsdebatte sachlich und friedlich zu führen, ist dem Rat ein tiefes Anliegen.

Der 10-Punkte-Plan ist dafür eine fundierte Basis. Er umfasst so verschiedene Forderung wie die Stärkung von Kreislaufwirtschaft, Klimaneutralität, Ressourcenschonung, Biodiversitäts- und Ökosystemschutz bei der Raumentwicklung, Klimaschutz und Klimaanpassung bei Siedlungs- und Verkehrsentwicklung.
Wichtig sind dem Diözesanrat auch Aspekte, die das Gemeinwesen in der sozialökologischen Transformation stärken. Dazu gehören beispielsweise eine stärkere Beteiligung der regionalen Bevölkerung am Strukturwandel und eine forcierte Bildung für nachhaltige Entwicklung. Das alles führt in eine gute Richtung, die trägt.“

Eine angestrebte Ernährungswende brauche jeden Quadratmeter Lößboden für Gemüse und Getreide. Das NRW-Ziel mit 20 Prozent Ökolandbau müsse dabei besonders in dieser fruchtbaren Region mitgedacht werden, denn der Anteil im Kreis Heinsberg beträgt bisher weniger als 2 Prozent.

Jetzt ist die Zeit, Fehlentwicklungen zu korrigieren und eine Modellregion im Rheinischen Revier zu schaffen, so das Bündnis. Die Synthese von Ökonomie, Sozialem und Ökologie müsse konsequent entwickelt und in allen Handlungsfeldern umsetzt werden. Dazu müsste auch die Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) besser aufgestellt werden. Es gelte, transparente Zugänge zu den Vorgängen der Strukturwandelförderung zu schaffen und die Möglichkeiten der Realisierung von Projekten der Zivilgesellschaft finanziell und organisatorisch zu unterstützen.

Der 10 Punkte-Plan:

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