Das Babyhotel

Schaukeln und Wasserrutschen, Streichelzoo und Kinderwerkstatt bot das Hotel an. Der Wasser-Funpark mit dem integrierten Bauernhof erfüllte höchste Ansprüche. Die jungen Eltern wussten, was ihrem Baby gut tat. Das hatte seinen Preis. Aber moderne Eltern lassen sich ihre Kleinsten etwas kosten, wenn sie mit ihnen auf Reisen gehen. Sie verlangen jedoch mehr als den Normalzustand Wickelkommode und Krabbelraum. Sie vertrauen die laufenden Nasen und die vom Schokoladen-Fondue verschmierten Münder ihrer Sprösslinge nicht irgendwem an. Qualifizierte Kinderhotelakademie-Betreuerinnen sichern Babys Erstreise-Erfahrung. Mit ihrer Unterstützung soll Mamas und Papas wertvolle Urlaubszeit zum schönsten Ereignis des Jahres werden. Glückliche Kinder und zufriedene Eltern sind ein hohes Gut. Das verpflichtet.

Mama und Papa waren voll des Lobes. Die Appartements und Suiten wurden rund um die Uhr überwacht. Wenn Baby schrie oder weinte, hörten es Babyhotel-Ohren, waren Babyhotel-Hände zur Stelle. Wenn Baby gewickelt oder gefüttert werden musste, konnten Papa und Mama das dem fürsorglichen Babyhotel-Service überlassen. Sorglos durften sie ausgehen, Ferien vom Ich oder Du machen, sich Zeit nehmen für romantische Stunden allein oder zu zweit. Baby litt keinen Mangel. Baby ging es gut.

Ein kleines Kind sei wie ein zweiter Haushalt, hatte Mama gesagt. Immer stehe Baby im Mittelpunkt. Es müsse getragen, gebadet, beschützt werden. Jetzt gönnte Mama es sich, den Zweithaushalt in akademiegeschulte Hände zu geben. Das ersparte ihr Trennungs-Ängste. Es beruhigte ihr Gewissen. Babybuffets mit täglich wechselndem frischem Brei machten Baby satt und zufrieden. Zwischen Guten-Morgen-Müesli und Gute-Nacht-Brei erfüllten Babyspeisekarten mit garantiert frischen Produkten aus der ökologischen Landwirtschaft individuelle Baby-Bedürfnisse. Baby-Schwimmkurse an der hoteleigenen Baby-Schwimmakademie sicherten frühkindlichen Baby-Förderbedarf.

Das Knusperhäuschen-Rundumverwöhnprogramm übertraf Mamas und Papas Erwartungen. Baby wurde gehegt, gepflegt, gestreichelt, gefördert. Vom Baby-Chinesisch-Kurs hatte der Babyhotel-Psychologe abgeraten. Das habe Zeit bis zum nächsten Verwöhn-Aufenthalt. Mamas Sorge, Babys Zeitfenster für Sprachen werde zu früh geschlossen, erwies sich als unbegründet. Die Babymassage dagegen wurde dringend empfohlen. Sie sorge für lebensnotwendige Baby-Entspannung, lindere Bauchweh und Blähungen, fördere die harmonische Entwicklung. Sie bilde die Grundlage für tiefe Bindungen zwischen Mutter und Kind. Von Papa war nicht die Rede.

Als Mama am fünften Urlaub-im-Babyhotel-Morgen Papa wecken wollte, war das Bett leer. „Abgereist“, sagte die freundliche Dame an der Rezeption. Papa habe umgebucht. Er sei in seiner Kindheit vernachlässigt worden. Ihm habe man ein Babyhotel-Verwöhn-und-Sorglos-Programm vorenthalten. Er hole es jetzt unter Anleitung qualifizierter Betreuerinnen und Animateurinnen nach. Ein Spezialangebot auf den Malediven habe ihn überzeugt. Da er Baby gut versorgt wisse, wolle er nun selbst erfahren, wie das mit dem Verwöhnen ist.

Hoffentlich war es nicht zu spät.

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