Dialogfähigkeit

pendeluhr

Wie wurde die Nachricht von meiner Laisierung von denen aufgenommen, die mit mir geweiht worden waren? Von ihrer Reaktion habe ich nichts erfahren. Über gemeinsame Begegnungen und Veranstaltungen wurde ich nicht mehr informiert. Vor fünfzig Jahren wurden wir zusammen zu Priestern geweiht. Heute leben wir aneinander vorbei, nicht in unterschiedlichen Welten, sondern in der gleichen Welt, in derselben Kirche. Wer versteht das?

Warum soll es mir anders ergehen als jenem Pfarrer, der  seine „lieben Mitbrüder“ über sein Ausscheiden aus dem Dienst informiert hatte: „Die meisten von Euch werden vermutlich meinen Schritt nicht billigen; ich bitte aber, ihn zu respektieren.“

Es kam, wie vorhergesehen. Nur einer reagierte auf die Ankündigung. Liebe Mitbrüder. Gemeinschaft des Verstehensund der Toleranz? Oder Ergebnis mit hohem Peinlichkeits-Faktor? Jeder für sich. Keiner für alle.

Ähnliches wiederholte sich, als ein Mitpriester plötzlich von der Bildfläche verschwand. Der Vorgang kam bei einem priesterlichen Treffen zur Sprache. Wo ließ sich  vertrauter miteinander umgehen als in zwangloser, mitbrüderlicher Atmosphäre? Vage Andeutungen über seine Absichten und Nöte machten die Runde. Viele wussten etwas, rückten aber nicht mit der Sprache heraus. Nichts war zu spüren von Gesprächsbereitschaft oder Gesprächsfähigkeit.

Hatten wir das Miteinander-Sprechen nicht geübt? Warum gelang uns keine Konflikt-Kommunikation? Warum blieb unser Zusammengehörigkeitsgefühl auf Sparflamme? Warum erwies sich „Solidarität“ zuweilen als leere Worthülse?

„Auch unter uns Priestern ist das Einander-Verstehen schwerer geworden“, hatte der Erzbischof gesagt und ergänzt, das chinesische Sprichwort „Menschen, die nicht miteinander sprechen, werden einander Feind“ spreche eine deutliche Warnung aus.

Jeder trat seine eigene Reise an. Wir waren Einzelkämpfer. Wir scheuten das Risiko, uns eine Blöße zu geben. „Der Mut zum Risiko wird belohnt“, lautete eine Schlagzeile in der Tageszeitung. In unserem Fall machte uns das Schutzbedürfnis gegenüber eventuellen feindlichen Einwirkungen von außen mundtot für das, was sich innerhalb der eigenen Bannmeile abspielte.

Eine Unterstützungsgemeinschaft, die bewusst gemacht hätte, dass wir aufeinander angewiesen waren, hätte anders ausgesehen.

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