Um des Himmelreichs Willen

Über die Verpflichtung zur Ehelosigkeit, dem Zölibat, wurde nicht wirklich diskutiert. Sie wurde akzeptiert  als unumstößliche Voraussetzung, zum priesterlichen Dienst berufen zu sein. Die Verpflichtung beruht auf kirchenrechtlichen Regelungen, die Priestern die Ehe  untersagen und sie zu geschlechtlicher Enthaltsamkeit verpflichten.

Dass laut Bürgerlichem Gesetzbuch Vereinbarungen als gültig geschlossen gelten, wenn sie persönlich gewollt sind – darüber dachte niemand nach. Der Zölibat ist ein Geschenk. Männliche Phantasien kreisen zu lassen um Liebe und Begehren oder Ausschau zu halten nach Ersatzangeboten, schließen sich aus.

Womit hatte ich dieses Geschenk verdient? Wenn es in Unterweisungen einer deutschen Diözese heißt, der Priester entscheide sich freiwillig für eine Lebensform dauerhaften und vollständigen Verzichts auf jede Form sexueller Betätigung, überrascht mich das. Ich kenne  wirtschaftliche und körperliche, ehrenamtliche und politische Betätigungen. „Jede Form sexueller Betätigung“ – wie definiert man das? Sind Priester geschlechtslose Wesen wie die geschlechtslos fixierten Figuren der amerikanischen Max-Fleischer-Cartoons? Dann ist Sexualität keine Herausforderung, der man sich stellen kann.

Wäre uns Studierenden Ehelosigkeit „um des Himmelreichs Willen“ als eine von verschiedenen Möglichkeiten aufgezeigt worden, priesterlich zu leben, hätten wir sie mit anderen Augen betrachtet. Wäre uns glaubhaft dargelegt worden, dass es nicht um das Verbot von Leiblichkeit und Sexualität ging, sondern um einen bestimmten Umgang mit ihr, hätten wir befreiter unsere sexuelle Orientierung finden können. So aber ergibt sich die Frage, ob die uns vermittelte Begründung von Ehelosigkeit nicht kontraproduktiv war und uns, wenn auch ohne  Absicht, in Isolationshaft führte.

Wurde es nicht gesagt, oder habe ich es überhört?  Priesterliche Enthaltsamkeit kann Wege ebnen für eine besondere Beziehung zu Gott und zu Menschen. Papst Benedikt XVI. beklagte zu Recht das Nicht-Warten-Können, den Konsumhunger, den Triumphzug der Individualität, den Kult der Selbstverwirklichung. Die Erfüllung aller menschlichen Wünsche werde so nicht gesichert, betonte er.

„Es muss im Leben mehr als alles geben.“ Der amerikanische Kinderbuchautor Maurice Sendak beschreibt eine Ahnung, die hinausgeht über ein „alles“. Ihn beschäftigt die Frage, wie wir zum inneren Frieden gelangen können.

Waren unsere geistlichen Oberen nicht in der Lage, uns von einer so verstandenen Botschaft vom Leben, von Keuschheit und Ehelosigkeit zu überzeugen?

Man muss nicht verheiratet sein, um Mensch sein zu können. Ehelosigkeit um des Himmelreichs Willen kann eine Gegenkultur zu anderen Lebensmodellen sein. Ehelosigkeit sei für ihn ein Weg, spirituell zu leben, sagt ein bekannter Benediktinerpater. Auch dem stimme ich zu

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