Reihe: „Einstehen für gute Pflege“, Teil I: Ein Menschenrecht verkommt zur Phrase?

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Wer und wo sind die wirklichen Vertreter der Pflegebedürftigen?

Vor wenigen Tagen habe ich über das „Bündnis für gute Pflege“ berichtet. Das liegt natürlich nahe, weil es gut klingt.
Allerdings sind in diesem Bündnis offensichtlich wieder diejenigen aktiv, die das bislang unbefriedigende Pflegesystem auch in gewisser Weise mit zu verantworten haben. Denn die „großen“ Verbände sind immer in die Erörterungen der Ministerien und Abgeordneten über die fraglichen Gesetze eingebunden gewesen.
Im Übrigen bestreiten die „Großen“ mit ihren Einrichtungen vor Ort überwiegend die kritischen Mängelberichte und behaupten, es sei doch alles gut.

Wo sind die Verantwortlichen, wenn es konkret darum geht, bessere Stellenschlüssel und höhere Gehälter für die Pflege einzufordern?
Bundesweit wird bemängelt, dass die Stellenausstattungen in den Pflegeeinrichtungen völlig unzureichend sind.
In den vielfältigen Statements zur anstehenden Pflegereform ist nirgendwo von solchen Forderungen zu lesen. Selbst  der DBfK (Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe) steht nicht an der Seite der Fordernden, wenn es um die Forderung nach bundesweit geltenden Personalbemessungssystemen geht. Man konzentriert sich offensichtlich lieber auf die Neuausrichtung der Berufsgesetze, die aber für die konkrete Pflegetätigkeit selbst nichts bringen.
Reformen der Berufsgesetze haben jedoch nie wirklich etwas bewirkt. So nennen sich jetzt z.B. die Krankenschwestern „Gesundheits- und Krankenpflegerinnen“. Damit wollte man erreichen, dass sie auch an der Gesunderhaltung / Prävention deutlicher mitwirken. Geblieben ist aber nur eine Worthülse.

Das am 14. Februar in Berlin gegründete „Bündnis für eine gute Pflege„,
dem etliche „hochkarätige“ Verbände angehören, behauptet :“Gute Pflege ist ein Menschenrecht“ und schreibt in seinen eigenen Forderungen lediglich phrasenhaft von den eigenen Vorstellungen.
Wie sie ihre Forderungen konkret umsetzen wollen, mit welchen Aktionen bei den Parteien, den Landesregierungen, der Bundesregierung, den wirklichen Entscheidungsträgern also, davon schreiben sie kein Wort.

Also noch ein weiterer zahnloser Tiger im Pflege-Dschungel oder wieder einmal ein einnehmender Lobbyist?
Wir werden es beobachten und dokumentieren.

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3 Kommentare zu "Reihe: „Einstehen für gute Pflege“, Teil I: Ein Menschenrecht verkommt zur Phrase?"

  1. Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk nimmt dies zum Anlass, nochmals darauf aufmerksam zu machen, dass eine „gute Pflege“ umfassend nur gewährleistet werden kann, wenn der seit Jahren bestehende Pflegenotstand in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen beseitigt wird.
    Neben einer Neugestaltung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes (§ 14 SGB XI) muss es daher bei einer Pflegereform, die diesen Namen verdient, darum gehen, die Stellenschlüssel in den Pflegesystemen deutlich zu verbessern und insoweit eine verlässliche Grundlage in Form eines bundesweit geltenden Personalbemessungssystems zu schaffen.
    Die Forderungen nach Aufhebung des Pflegenotstandes im Zusammenhang mit dem SGB XI muss demzufolge offensiv angegangen und lautstark in die Reformdiskussion eingeführt werden.

    Die Auflösung des Pflegenotstandes und die Schaffung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes, der endlich die Demenzkranken uneingeschränkt in den Kreis der Leistungsberechtigten mit einbezieht, sind die Knackpunkte einer Pflegereform.
    Wer diese beiden Reformerfordernisse außer Acht lässt, hat nicht verstanden, wo die eigentlichen Probleme liegen:

    Ohne mehr Pflege- und sonstiges Betreuungspersonal wird es keine wirklich gute Pflege geben können!

    Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk hat wiederholt in diesem Sinne Stellungnahmen abgeliefert in der Absicht, auf die Reformerwägungen Einfluss zu nehmen.
    Inzwischen wurde auch die Bundeskanzlerin angeschrieben und gebeten, die anstehende Pflegereform zur Chefsache zu machen.
    Die entsprechenden Texte sind abrufbar unter folgenden Adressen:

    http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/Pressemitteilungen/StellungnahmenPflegereformundPatientenrechtegesetz2011.pdf

  2. Harald Wendler | 12. März 2012 um 09:53 |

    Eine erste Reaktion seitens des DBfK aus Berlin hat es schon gegeben.
    Herzlichen Dank dafür.
    Natürlich werde ich mich mit den enthaltenen Hinweisen beschäftigen und berichten.
    Hier die Mail aus Berlin:

    Sehr geehrter Herr Wendler,

    Ihren Artikel habe ich gelesen. Nur ein kurzes Feedback zu Ihrer Einschätzung „Selbst der DBfK (Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe) steht nicht an der Seite der Fordernden, wenn es um die Forderung nach bundesweit geltenden Personalbemessungssystemen geht.“:

    Ganz offensichtlich ist Ihnen entgangen, dass der DBfK diese Forderung seit Jahren vehement öffentlich und gegenüber den politisch Verantwortlichen erhebt. Als Beleg dafür darf ich Sie auf eine Vielzahl von DBfK-Pressemitteilungen entspr. Inhalts, vor allem aber auf das folgende Positionspapier von Oktober 2011 verweisen: http://www.dbfk.de/download/download/Personalbemessung-in-der-stationaeren-Altenhilfe–DBfK-Position-2011-10-06.pdf

    Mit freundlichen Grüßen

    Johanna Knüppel | Referentin | Redaktion DBfK Aktuell | Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe – Bundesverband e.V.

  3. Harald Wendler | 11. März 2012 um 18:40 |

    Wirklich zuwenig Pflegekräfte?
    Das sagen jedenfalls alle, die es Tag für Tag erleben und erleiden.

    Den Pflegeheimen und Krankenhäusern wird vorgerechnet,wie viel Personal in dem jeweiligen Haus, man höre und staune, zuviel herumläuft.
    Die Dokumentationen, die manchmal einen halben oder auch ganzen Tag seziert werden, schaut sich der med. Dienst nicht alleine „im stillen Kämmerlein“ an, da wird zusätzlich Personalbindung betrieben, weil natürlich eine Pflegekraft, am besten auch noch die Pflegedienstleitung dabei bleiben muß, um Fragen zu beantworten und über Formulierungen zu diskutieren.
    Dass Dokumentationen wichtig sind und auch ausreichend transparent und verständlich sein müssen, ist völlig in Ordnung.
    Vor juristischem Hintergrund- man denke an Kunst- und Pflegefehler.
    Außerdem gilt: was nicht geschrieben ist, das gibt es nicht. Natürlich ist es keine Frage, dass erbrachte Leistung nachgewiesen werden muß. Aber das ist nicht alles. In der Regel bedeutet der Besuch des MDK, noch mehr Schreibarbeit für das Personal. Und noch ein Formular. Dadurch ist dann wieder einmal eine Steigerung der Qualität passiert. Und wer merkt etwas davon?
    Das Pflegepersonal, das mit noch weniger Pflegezeit die gleiche Versorgung leisten soll? Am Ende vielleicht sogar der Patient oder der alte Mensch, der noch länger auf die Schwester warten muss, und die es dann noch schaffen sollte, freundlich und ausgeglichen zu sein, obwohl sie gerade wieder einmal am Schreibtisch gestört wurde? Fehlanzeige!
    Die ständige Optimierung der Qualität kann man auf dem Papier sehen, und der Transparenzbericht liest sich auch schmeichelhaft. Ein Beispiel. Sterbebegleitung ist Thema in Kliniken und Pflegeeinrichtungen. Auch der ein oder andere Politiker spricht gerne ’mal in einer Talkrunde darüber. Das macht sich gut.
    Bei einer Begutachtung durch den MDK sieht das so aus, dass natürlich nicht kontrolliert wird, und das ist in diesem Fall zugegebener Massen auch nicht ganz einfach, ob das auch passiert. Das macht aber auch nichts. Wenn ein Haus in seinen sog. Standards den Punkt Sterbebegleitung aufgenommen und beschrieben hat, gibt es dafür eine gute Bewertung.
    Ob ein alter Mensch das nötige Hörgerät wirklich trägt, interessiert nicht. Da schaut niemand in ein Ohr. Wenn schriftlich festgehalten ist, dass ein solches Gerät existiert und jeden Tag gereinigt eingesetzt wird, dann reicht das. Was, wenn die zuständige Pflegekraft ganz einfach keine Zeit hatte, das auch noch zu tun.
    Entbürokratisierung wird auch gerne benutzt. Vielleicht sollte damit auch angefangen werden. Lassen wir doch die Pflegekräfte das tun, was ihre Berufsbezeichnung sagt, nämlich pflegen, versorgen und betreuen. „Bürokram „ soviel wie nötig, so wenig wie möglich.
    Es gäbe in der Art(s.o.) noch Vieles auszuführen. Eine Frage aber drängt sich auf.
    Die hier nur ansatzweise geschilderten Probleme, kennt jedes Krankenhaus, jede Pflegeeinrichtung.

    Gibt es keine Möglichkeit einer Form von Zusammenschluss, mit dem Ziel, einem solchen Wirken Einhalt zu gebieten?
    Sicher lassen sich diese Dinge nicht über Nacht ändern, aber ist der Beginn eines Änderungsprozesses nicht längst überfällig ?
    Der Schwerstkranke und der, der Sprache und seiner Sinne verlustig gegangene alte Mensch, das ist die Gruppe, die absolut ausgeliefert ist. Und da ist es wenig hilfreich, wenn der MDK bei Rekonvaleszenten oder „fitten“ Alten fragt, ob das Essen schmeckt und das Personal auch schön freundlich ist.
    Wie diese Antworten wohl ausfallen…?
    Und die Schwester, die Pflegerin, der pflegende Angehörige, stehen diese Menschen in der Gesellschaft wirklich so schlecht da, wie man uns glauben machen möchte?
    Des Übels Wurzel liegt woanders. Wobei auch der MDK nur ein ausführendes Organ ist…!

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