Sie dürfen nicht

pendeluhr

Ein neuer Erzbischof stand an der Spitze des Erzbistums, der bald den Kardinalshut empfing. Er  initiierte für das Bistum ein Pastoral-Gespräch, das die Erneuerung von Seelsorge und Gemeinde zum Ziel hatte.

Ich wurde hellhörig und registrierte einen Passus, in dem sich der Kardinal Meinungsbilder über die „Pastorale Tätigkeit für aus dem Amt ausgeschiedene Priester“ erbat.

Sollte darüber diskutiert werden, laisierte Priester aus dem Halbschatten kirchlicher Illegalität zu holen? War ich potentieller Kandidat für pastorale Aufgaben? Lud das Bistum zum Dialog ein? Sollten Handlungs- und Denk-Tabus beseitigt werden? Erinnerte man sich an die Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich, die sich gegen Denktabus, Vorurteile und Ideologien wandte? Oder verbargen sich hinter der „Erneuerung von Seelsorge“ rhetorische Nebelkerzen in Gestalt einer Image-Kampagne?

Ich richtete ein Schreiben an den Kardinal und bat  um Angaben darüber, von welchen pastoralen Tätigkeiten die Rede sei. Ich könne mir vorstellen mitzuarbeiten.

Wochen vergingen. Ich hatte gehört von kontroversen Stellungnahmen beim Pastoral-Gespräch. Laisierung sei kein harmloser Vorgang, hatten die Einen gesagt und gewarnt, das Thema unnötig zu aktualisieren. Andere hatten angemahnt, das Potential an Können und Erfahrung laisierter Priester müsse man wahrnehmen und berücksichtigen.

Ich wartete auf eine Antwort. Das Warten beendete der Generalvikar, Mitpriester meines Weihe-Jahrgangs. Sein Humor, sein Umgang mit dem „Kölschen Klüngel“, seine souveräne Art zu handeln schätze ich. Der Kardinal habe ihn beauftragt zu antworten, teilte er mir mit.

Im Pastoral-Gespräch habe man unterschieden zwischen Fragen, die der Kardinal im Rahmen des geltenden Rechts im Erzbistum regeln könne, und anderen Fragen, die von der Bischofskonferenz bzw. von der Vatikanischen Behörde geregelt würden. Es seien in der betreffenden Angelegenheit Meinungs-Bilder erfragt worden. Es bedeute aber etwas, dass der Bischof die Meinung der Gläubigen zu bestimmten Fragen kennen lerne, auch wenn er persönlich nichts ändern könne.

Das geschriebene Wort war Sprache des Generalvikars, der Inhalt des Schreibens die amtliche Stimme. Der Generalvikar drückte es so aus: Er glaube nicht, dass Gespräche im Augenblick zu weiterführenden Ergebnissen führen könnten. Er könne nicht beurteilen, ob die geltenden Richtlinien demnächst überarbeitet würden.

Dann formulierte er „geltendes römisches Recht“ und stellte im Auftrag des Kardinals, der sich darauf berief, fest:

Sie dürfen nicht predigen.

Sie werden nicht zugelassen als außerordentlicher Kommunionspender.

Sie dürfen kein Amt ausüben, das den pastoralen Bereich berührt.

Sie dürfen kein Amt ausüben in Seminarien und gleichgestellten Einrichtungen.

In anderen höheren kirchlichen Studieneinrichtungen dürfen Sie kein Leitungsamt und keine Lehrtätigkeit ausüben.

Es klang wie eine nachträgliche Entschuldigung, dass der Generalvikar seiner Negativliste die Bemerkung anfügte, es stehe ein breites Feld ehrenamtlicher Mitarbeit für mich offen.

Dass es für mich eine Ehre sein würde, mich ehren-amtlich einzubringen, wo ich „amtlich“ nicht in Frage kam, konnte er nicht annehmen. Ehe es zu konkreten Überlegungen kam, war ich in der Vorrunde ausgeschieden. Für den Kardinal und für die römisch-vatikanische Behörde Unvereinbares ließ sich nicht vereinbaren. Seifenblasen zerplatzten, ehe sie den bischöflichen Mund verlassen hatten.

Ich hätte den Absendern des Schreibens versichern können: Lebenskrisen, dramatische Schockwirkungen löste die Antwort nicht bei mir aus. Mich zum Nicht-Handeln zu verurteilen durch ein „Sie-Dürfen-Nicht“ würde nicht gelingen.

Es ehrte den Kardinal, dass er sich als Diener der Vatikanischen Kurie, als nicht selbst verantwortliche Erfüllungsperson einer höheren Instanz sah. So verstand er sein Amt.

Im Gegensatz zu seiner erklärten Unzuständigkeit lassen sich Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils auch anders verstehen: Bischöfe üben eigene, unmittelbare Gewalt aus. Sie sind nicht Stellvertreter des Bischofs von Rom, sondern haben das Recht und die Pflicht, Regelungen zu treffen für die Ordnung des Gottesdienstes und der Seelsorge. Das ist ihre eigene Aufgabe. Sie wird ihnen nicht von Rom delegiert.

Der Kardinal konnte sich auf seinen Eid berufen, mit dem er dem Papst Treue, Ergebenheit und Gehorsam zugesichert hatte. Er verstand das päpstliche Amt als Befehlsamt. Ordnung musste sein.

Dass Bischöfe zur Loyalität nicht nur gegenüber dem Papst, sondern auch gegenüber den Gläubigen verpflichtet sind, dazu äußerte sich der Kardinal nicht.

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