Weihnachten im Advent. Mit und ohne Lockdown

Foto: P.J. Dickers

Obwohl Advent und noch nicht Weihnachten ist, weihnachtet es. Nikolaus-Party. ChristkindlMarkt. „Es kommt ein Schiff beladen“ mit Glühwein und Bratwurst. Nicht „Stille Nacht“. Dem entkomme ich nicht bei meinem adventlich-vorweihnachtlichen Bummel. Es weihnachtet, wo ich es nicht vermute. Und das trotz „Lockdown“, im ursprünglichen Sinn eine „Ausgangssperre“, die bestimmte Freiheiten und Handlungen untersagt.

Die Kneipe an der Ecke preist ein Weihnachtsbier an. Nirgendwo steht, was Bier mit Advent und Weihnachten verbindet. Bald ist Weihnachten. Lauter die Glocken nicht klingen als jetzt schon. Keine Bimmel-Sperre. Aus Sorge, zu spät zu kommen? Weil es im Kalender steht?  Hoffnung und Trost sind kein Thema. Menschen, denen ich begegne, erwecken jedenfalls nicht den Eindruck, danach zu suchen, obwohl sie ein bisschen Trost und Zuspruch wahrscheinlich gebrauchen könnten. Unterhaltungs-Bedürfnisse werden befriedigt. Man wird nicht satt davon. Mark Twain erklärte es so: „Vergangenheit ist, wenn sie nicht mehr wehtut.“

Aus dem Lautsprecher scheppert „Jingl Bells“. Gemeint sind die Schellen am winterlichen Pferdegeschirr. Wer weiß das? Klimpern sollen sie. Es passt zur Plätzchen-süßen Stimmung. Und hört sich gut an. Klimpern ist religionsneutral und muss nicht auf christlich begründete Selbstverständlichkeiten Rücksicht nehmen. Ein bisschen Spaß muss sein. „Deutsche Weihnacht“ feiert man daheim. Advent und Weihnachten erhalten eine neue Identität. Nicht Strohsterne und Kerzen, sondern PlastikKirschen, Plastik-Tannenbäume. Man muss nicht froh, aber munter sein.

Weihnachten im Advent braucht Erleuchtung, Flutlicht. Schattenlose Helligkeit überstrahlt alles und macht die Nacht zum Tag. Ein bisschen Lockdown täte manchmal gut. In dem Gefunkel würden die Heiligen Drei Könige ihren Stern nicht finden. In der Welt des ewigen Leuchtens, in der die Nächte ihre Dunkelheit verloren haben, bräuchten sie ein Navigationsgerät. Dass Leben im Verborgenen entsteht und Geheimnisvolles zum Leben gehört, weiß man. Ist es die Angst, aus dem Dunkel nicht wieder ans Licht zu finden?

Lähmende Belehrung ist jedoch fehl am Platz. Nicht alles, was nicht gefällt und den aktuellen Einschränkungen nicht entspricht, ist verwerflich. Die Welt, das Leben, Traditionen ändern sich. Auch die Art und Weise, wie wir Advent und Weihnachten feiern. Für Unterschiedliches ist Platz in der Vielfältigkeit des Lebens. „Die Kunst des Machbaren einüben“, sagte die Bundeskanzlerin.

Was Feste bedeuten, müssen die Menschen jeder Zeit neu klären. Corona-Advent, Corona-Weihnachten könnten eine Chance schlechthin sein, „anders“, „zeitgemäß“, „den Umständen gemäß“ zu feiern. Ähnlich erging es den Weihnachtstexten. Die biblische Erzählung ist eine nach und nach gewachsene Geschichte. Es dauerte lange, bis sie die heute vorliegende Form gefunden hatte.

Es wird vermutlich noch oft Advent und Weihnachten gefeiert werden. Mit und ohne Lockdown. Es steht ja im Kalender. Solche Festzeiten müssen wir uns nicht nehmen, nicht zerreden lassen, auch nicht die Glocken, auch nicht die adventlich-weihnachtliche Licht-Symbolik. „Jede dunkle Nacht hat ein helles Ende“, schrieb ein aserbajdschanischer Dichter. In  diesen Wochen sehnen wir uns  danach.

„Schenken Sie Denkanstöße“, empfiehlt eine Tageszeitung. Das zeitgemäße Geschenk für den Gabentisch.

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1 Kommentar zu "Weihnachten im Advent. Mit und ohne Lockdown"

  1. Jochen Wintzen | 13. Dezember 2020 um 22:59 |

    In jedem Jahr, solange ich denken kann, wurde immer über den Stress lamentiert, der die Menschheit vor den Feiertagen nicht mehr losließ. Extras für die Küche. Und noch’n Geschenk. Psychologen berieten in TV und Radio vor, wie nach den Tagen die Bevölkerung über das was, wie und warum von Streitigkeiten und Brüchen in Familien, die entstanden, weil gestresste Menschen mit zu hohen Erwartungen zusammenkamen, Zwangsharmonie lebten und eigentlich froh waren, an den Tagen nach den Tagen, ihre Gutscheine einzulösen und Liebesgeschenke umzutauschen.
    Dieses Weihnachten wird eines sein, wie die, die wir es erleben werden, noch nie hatten und hoffentlich nie wieder haben werden. Ich hätte es auch gerne anders, nicht die stressige Variante, aber anders eben als diesmal. Vielleicht ist dies eine einmalige Chance in unserem Leben, ein Fest zu haben, an dem wir uns wirklich auf das Wesentliche und uns selber zu besinnen. Wir werden es überstehen. Bleiben Sie gesund.

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