125 Jahre Volksverein – Gesellschaft gestalten aus christlicher Verantwortung

Vor 125 Jahren wurde der Volksverein für das katholische Deutschland gegründet.
1890 vom Mönchengladbacher Unternehmer Franz Brandts ins Leben gerufen, entwickelte sich der Volksverein mit mehr als 800.000 Mitgliedern am Vorabend des Ersten Weltkriegs zur größten katholischen Laienbewegung in Deutschland.

Die Bedeutung des Volksvereins für die Entstehung sozialstaatlicher Strukturen war für die Konrad-Adenauer-Stiftung Grund genug, das Jubiläum im Rahmen des Franz-Meyers-Forum zu würdigen. Für die mit mehr als 100 Teilnehmern sehr gut besuchte Veranstaltung unter dem Titel „Gesellschaft gestalten aus christlicher Verantwortung – 125 Jahre Volksverein für das katholische Deutschland“ hatte der Mönchengladbacher Bundestagsabgeordnete Dr. Günter Krings erneut die Schirmherrschaft übernommen.

Als Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung konnte Dr. J. Christian Koecke als Referenten den ehemaligen Leiter des Mönchengladbacher Stadtarchivs Dr. Wolfgang Löhr und Monsignore Prof. Dr. Peter Schallenberg, Direktor der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle in Mönchengladbach, im Haus Erholung begrüßen.

In seinem einführenden Beitrag ging Dr. Günter Krings auf die Wirkungsgeschichte des Volksvereins ein, dessen zentrale Anliegen unverändert zum programmatischen Kern der CDU gehören:
„Wir können stolz sein auf die soziale Tradition unserer Stadt, welche in der Arbeit des Volksvereins begründet ist. In Mönchengladbach sind Konzepte entstanden, die bis in die Gegenwart dem allgemeinen Verständnis von Sozialstaatlichkeit zuzurechnen sind.“
Geradezu revolutionär erscheint dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister des Innern insbesondere die Zuwendung des Volksvereins zu den Arbeitern: „Die Gründer des Volksvereins waren nicht nur daran interessiert, die Lebenswirklichkeit der Arbeiter zu verbessern. Ihr zentrales Anliegen war es, die Arbeiter durch Bildung zu mündigen Bürgern zu machen. In der streng hierarchischen Klassengesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts war es mehr als fortschrittlich, den Arbeitern als Partner auf Augenhöhe zu begegnen. In dieser Wertschätzung kommt das christliche Menschenbild in vorbildlicher Weise zum Ausdruck.“
Dieser Überzeugung entspreche, so Krings, die bewusste Entscheidung, den christlichen Glauben durch das Engagement für die Arbeiterschaft zu praktizieren: „Vor 125 Jahren hatte sich der Volksverein das Ziel gesetzt, zeitgemäße Antworten auf die Soziale Frage zu finden. Diese Aufgabe ist jedoch nie abgeschlossen, bringt doch jede Zeit neue Herausforderungen mit sich.“ Die Gründung des ‚neuen‘ Volksvereins im Jahre 1983 als gemeinnützige Gesellschaft gegen Arbeitslosigkeit war eine solche Reaktion, Dr. Günter Krings konnte stellvertretend Edmund Erlemann beim Franz-Meyers-Forum begrüßen: „In Zeiten der Massenarbeitslosigkeit ist die überragende Bedeutung der Arbeit für ein Leben in Würde besonders deutlich geworden. Das Engagement für Langzeitarbeitslose verdient unseren Respekt und unsere Unterstützung.“

Dr. Wolfgang Löhr stellte in seinem Vortrag nicht nur die prägenden Persönlichkeiten des Volksvereins für das katholische Deutschland, sondern auch die strukturellen Besonderheiten der Bewegung vor.

Die Gründer legten größten Wert auf die Unabhängigkeit des Vereins, dessen Errichtung nicht nach Kirchenrecht erfolgte. Insofern war die Entscheidung für eine Vereinsdemokratie Ausdruck von Autonomie. Verbunden mit dem Bekenntnis zum Parlamentarismus war die Auseinandersetzung mit konkurrierenden Weltanschauungen. Aufgrund des engen Bezuges zur Arbeiterklasse stand vor allem die Abgrenzung zur Sozialdemokratie im Fokus: „Für das historische Verständnis ist es wichtig zu wissen, dass die SPD eine pointiert atheistische Position vertrat; August Bebel setzte diese Haltung mit gesellschaftlichem Fortschritt gleich. Dies musste zum Konflikt mit überzeugten Katholiken führen. Dennoch wandte sich der Volksverein gegen die Sozialistengesetze – durchaus mit dem Selbstverständnis, im freien Kampf der Meinungen bestehen zu können.“
In diesem Spannungsfeld widmete sich der Volksverein der Bildung der Arbeiter und setzte seine in Mönchengladbach beheimateten wissenschaftlichen Kapazitäten für christliche Sozialreformen ein. Diese Konzepte entfalteten, so Dr. Löhr, in der Weimarer Zeit und der frühen Bundesrepublik prägende Wirkung für die Sozialstaatlichkeit in Deutschland. Der langjährige Leiter des Mönchengladbacher Stadtarchivs skizzierte abschließend die Gründe für den schwindenden Rückhalt des Volksvereins in der Endphase der Weimarer Republik: „Das gesellschaftliche Umfeld veränderte sich zusehends, der politische Katholizismus hatte seinen Höhepunkt überschritten. Ein nicht zu unterschätzender Faktor war aber auch, dass der Volksverein einen Großteil seiner sozialpolitischen Zielsetzungen verwirklichen konnte.“

Monsignore Prof. Dr. Peter Schallenberg thematisierte in seinem Referat die christliche Soziallehre und die christliche Demokratie in der Gegenwart.

Ausgehend von der Lehre des griechischen Philosophen Platon arbeitete der Direktor der Katholischen Wissenschaftlichen Zentralstelle in Mönchengladbach die Eckpfeiler der christlichen Soziallehre heraus.
Über ausgesuchte Passagen der Bibel, das Staatsverständnis des Augustinus und die Entstehung der Glaubens- und Gewissenfreiheit bis hin zum II. Vatikanischen Konzil spannte Prof. Dr. Schallenberg den Bogen.
In diesem Prozess verfestigte sich die Überzeugung von der Personalität des Menschen, welche im Grundgesetz als Garantie der Menschenwürde in Artikel 1 an exponierter Stelle Ausdruck gefunden hat.

Das christliche Menschenbild war dann auch der Anknüpfungspunkt, um den Kern der christlichen Demokratie in den Blick zu nehmen.
Prof. Dr. Schallenberg verwies in diesem Kontext auf ein Interview, welches die Bundeskanzlerin und CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel unlängst in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gegeben hat: „Angela Merkel spricht von fünf Säulen, auf denen unser Staat nach ihrem Verständnis basiert: Das Grundgesetz, die Europäische Union, die NATO, die Soziale Marktwirtschaft und das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels. Eine derart präzise Beschreibung der essentiellen Elemente unseres Staates besitzt in diesen Tagen Seltenheitswert.“

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